Die Zukunft Assads & Erdogans Ablenkungsmanöver – Presseschau 30. März

In einem Kommentar für Al Jazeera wirft Lina Khatib, Direktorin des Carnegie Middle East Centers in Beirut, Baschar al-Assad zwei schwerwiegende strategische Fehler vor. Den ersten sieht sie in seiner Kooperation mit der islamistischen Terrororganisation ISIS, welche das Regime teilweise von Bombardements verschone und durch den Kauf von Benzin aus von ihnen kontrollierten Erdölquellen indirekt […]

In einem Kommentar für Al Jazeera wirft Lina Khatib, Direktorin des Carnegie Middle East Centers in Beirut, Baschar al-Assad zwei schwerwiegende strategische Fehler vor. Den ersten sieht sie in seiner Kooperation mit der islamistischen Terrororganisation ISIS, welche das Regime teilweise von Bombardements verschone und durch den Kauf von Benzin aus von ihnen kontrollierten Erdölquellen indirekt finanziere. Zwar habe ISIS, wie von Assad erhofft, zur Schwächung der moderaten syrischen Oppositionstruppen beigetragen. Jedoch werde die Organisation immer unabhängiger wie mächtiger und somit auf lange Sicht ein ernstzunehmender Konkurrent für die syrische Regierung. Der zweite Fehler, den Khatib ausmacht, sei die Gründung der Schabiha-Milizen gewesen. Aus der eher informellen Shabbiha-Truppe, die syrienweit für das Regime mordete, entstand die formalisierte Nationale Verteidigungsarmee (NDF). Ursprünglich hätte die NDF den Zweck erfüllt, das Regime im Kampf gegen militante Islamisten zu unterstützen. Allerdings hätten sich in den Reihen der Milizen einige mächtige und immer unabhängiger agierende Warlords etabliert, die längst nicht mehr nur im Sinne Assads handelten. Diese würden langsam aber sicher, ähnlich wie ISIS, zu einem selbstgemachten wie langfristigen Problem für den Präsidenten.

Einen deutlich optimistischeren Blick auf die Zukunft des Diktators offenbart Patrick J. McDonnell von der Los Angeles Times. Seiner Ansicht nach ist Assad gerade im Begriff, den Krieg zu seinen Gunsten zu entscheiden. Zwar müsse er sich damit abfinden, dass weite Teile des Landes, vor allem im Norden und im Osten, wohl langfristig außerhalb seines Herrschaftsbereichs liegen würden. Jedoch scheine die Taktik, sich hauptsächlich auf die Kontrolle der westlichen Gebiete zu konzentrieren, immer besser aufzugehen. Dies habe zahlreiche Gründe, allen voran die finanzielle Unterstützung aus Moskau und Teheran. Doch auch die Zersplitterung der Rebellen, das Erstarken dschihadistischer Gruppen sowie die Unterstützung der Regierung durch die Hisbollah und lokale Milizen seien wichtige Faktoren für die jüngsten militärischen Erfolge von Assads Truppen. Darüber hinaus hätten die Rebellen nach wie vor keine Antwort auf die Luftangriffe des Regimes gefunden.

Ebendiese Luftangriffe veranlassen die US-Regierung dazu, darüber nachzudenken, moderate syrische Oppositionskräfte mit „Man Portable Air Defense Systems“ auszurüsten. Diese sogenannten „MANPADS“ bezeichnen schultergestützte Boden-Luft-Flugabwehrraketensysteme, welche von einer Einzelperson gegen Luftziele eingesetzt werden können. James McMichael kritisiert diese Erwägung der Obama-Administration in einem Artikel für „Syria Comment“. Ein solcher Schritt wäre aus seiner Sicht hochproblematisch, weil dadurch die Gefahr entstünde, dass diese Waffen in die Hände von Terroristen gerieten. In diesem Fall, so der Autor, könnten die Raketen gegen US-Verbündete oder gar Passagierflugzeuge eingesetzt werden. Zudem würden die USA mit einem solchen Vorgehen gegen zahlreiche internationale Vereinbarungen, im Rahmen derer sie sich für die Nicht-Weitergabe von MANPADS an nicht-staatliche Akteure ausgesprochen hätten, verstoßen.

Ein anderer Unterstützer syrischer Oppositionskräfte, die Türkei, ist Thema eines von Mitarbeitern des Syrian Observer“ übersetzten Artikels von Abdel Bari Atwan für Raialyoum. Darin schreibt der Autor, dass die innenpolitische Krise, in der sich die Regierung in Ankara momentan befinde, Auswirkungen auf den syrischen Bürgerkrieg haben könne. Demnach bestünde die Möglichkeit, dass der türkische Ministerpräsident Erdoğan gewillt sei, durch eine aggressivere Politik gegenüber Baschar al-Assad von seinen eigenen Problemen abzulenken. Einen Hinweis auf eine solche Strategie lieferten die jüngsten Kämpfe syrischer Rebellen in der nördlich von Lattakia gelegenen Grenzregion zur Türkei, bei welchen sie vom türkischen Militär unterstützt worden seien. Zwar geht der Autor nicht von einem bevorstehenden Krieg beider Länder aus, jedoch bestünde die Möglichkeit einer stärker werdenden, diffusen Konfrontation.


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