Erster Adopt a Revolution-Flyer – Syrien vor drei Jahren

Ziemlich auf den Tag genau vor drei Jahren kam der erste Adopt a Revolution-Flyer aus der Druckerei (hier als pdf). Nur wenige Wochen zuvor waren wir nach einer kurzen, intensiven Vorbereitungszeit mit dieser Website online gegangen – und hatten bereits die ersten Unterstützungszusagen für die unbewaffneten Bürgerkomitees in Syrien. Damals gingen syrienweit jeden Freitag bis […]

Ziemlich auf den Tag genau vor drei Jahren kam der erste Adopt a Revolution-Flyer aus der Druckerei (hier als pdf). Nur wenige Wochen zuvor waren wir nach einer kurzen, intensiven Vorbereitungszeit mit dieser Website online gegangen – und hatten bereits die ersten Unterstützungszusagen für die unbewaffneten Bürgerkomitees in Syrien. Damals gingen syrienweit jeden Freitag bis zu eine Millionen Menschen in 1.000 Demonstrationen auf die Straße, um die Assad-Diktatur mit friedlichen Mitteln zu stürzen – und trotz der militärischen Angriffe lag der Umbruch in der Luft, war fast mit den Händen zu greifen. Damals schrieben wir:

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Seit März 2011 protestieren in Syrien hunderttausende Menschen friedlich für ein Ende der Diktatur. Doch im Auftrag von Präsident Assad verfolgen Geheimdienste die AktivistInnen, und das Militär greift unbewaffnete DemonstrantInnen an. Die Folge: Zehntausende Verschleppte und Gefolterte, sowie über 6.000 Tote. Doch die Mehrheit der AktivistInnen lässt sich von der Gewalt der Sicherheitskräfte weder einschüchtern noch abschrecken. Mit Demonstrationen und Streiks wollen sie das Regime in die Knie zwingen.

Doch der Umbruch kam nicht – und die Zahl von 6.000 Toten wirkt inzwischen wie aus sehr alten Zeiten. Statt dass Assad die Konsequenz aus dem massiven Legitimitätsverlust zog, den der Aufstand darstellte, ging er weiter mit Waffengewalt gegen jede sichtbare Form der Opposition vor – und erreichte, dass sich auch der Aufstand bewaffnete. Zunächst verteidigten desertierte Soldaten Demonstrationen gegen die Angriffe des Militärs, dann entstand die “Freie Syrische Armee” (FSA), die begann, das Regime auch militärisch herauszufordern. Mittlerweile, nach drei Jahren der Kämpfe und der weiterhin fehlenden Unterstützung für den Aufstand von außen, haben sich viele der bewaffneten Verbände radikalisiert.

Aus Rebellen sind Warlords geworden. Sie profitieren von der Kriegssituation und nutzen die Not der Bevölkerung aus. Spätestens seit dem Aufkommen der Radikalislamisten und Dschihadisten gibt es Kämpfe auch zwischen den verschiedenen bewaffneten Gruppen, die in Opposition zur Assad-Diktatur stehen. Die Lage ist so unübersichtlich geworden, dass selbst die UN aufgehört haben, die Toten noch zu zählen. Schätzungen gehen von mindestens 220.000 Getöteten aus, aber die Namen kennt niemand mehr.

Zwei UN-Beobachtermissionen sind in den letzten drei Jahren ebenso gescheitert, wie zwei internationale Friedenskonferenzen. Bei einem massiven Einsatz von Chemiewaffen sind binnen Stunden rund 1.300 Menschen am Giftgas erstickt. Der Diktator Assad hält weiter an der Macht fest, und 40% des Landes werden von brutalen Dschihadisten kontrolliert. Ganze Städte und Stadtteile sind vollständig von der Außenwelt abgeriegelt, die rund 350.000 Menschen darin sind von Hunger und Kälte bedroht.

IMG_20150127_104425Das ist längst nicht mehr die Revolution vom März 2011, die in dem mittlerweile drei Jahre alten Flyer dargestellt wurde. Viele der jungen unbewaffneten AktivistInnen sind längst ins Ausland geflohen, denn sie suchen Möglichkeiten zu leben, statt zu sterben. Dass es soweit gekommen ist, ist die Enttäuschung beim Blick auf den Flyer von Anfang 2012.

Doch daneben gibt es weiter Hoffnung. Denn andere AktivistInnen sind geblieben und streiten an vielen Orten des Landes weiter für die Ziele von 2011 – gegen die Assad-Diktatur genauso wie gegen die Dschihadisten. Das Schulprojekt im belagerten Vorort von Damaskus, wo die Kinder nicht bei den Islamisten unterrichtet werden sollen. Die AktivistInnen in Aleppo, die inmitten einer zerstörten Stadt weiter Menschenrechte einfordern. Der verschworene Freundeskreis, der inmitten der Hauptstadt von ISIS die tägliche Unterdrückung dokumentiert und der Welt seltene Einblicke in dieses neuerliche Terror-Regime ermöglicht.

“RevolutionspatInnen” waren es, die wir vor drei Jahren mit dem ersten Flyer finden wollten. Aus der Revolution ist ein Bürgerkrieg geworden und viele der RevolutionärInnen haben sich zurückgezogen. Doch diejenigen, die noch da sind, bauen weiter an der Basis für eine widerständische syrische Zivilgesellschaft, die sich weiterhin wehrt gegen Diktatur und Dschihadismus (unser neuer Flyer als pdf). Auch wenn es in den letzten drei Jahren nicht gelungen ist, die Diktatur zu stürzen – die Ansätze der jungen Zivilgesellschaft bestehen weiter. Sie zu stärken hilft, die neu entstehenden Brüche in der syrischen Gesellschaft zu überbrücken.

Wir stehen weiter an der Seite der unbewaffneten syrischen AktivistInnen. Helfen Sie mit, ihre Projekte in Syrien zu unterstützen!

Syrische Zivilgesellschaft stärken!