Videointerviews aus Zabadani: 500 Tage der Belagerung

Im folgenden Beitrag dokumentieren wir Stimmen aus Zabadani, einer Stadt in der Nähe von Damaskus. Aufgrund des vergleichweise milden Klimas und der Lage in den Bergen nahe des Libanon war Zabadani lange als überregionaler Tourismusmagnet berühmt. Seit Beginn der Revolution engagierten sich BürgerInnen und AktivistInnen in Zabadani gegen das Regime Bashar al-Assads, was zu täglichen […]

Im folgenden Beitrag dokumentieren wir Stimmen aus Zabadani, einer Stadt in der Nähe von Damaskus. Aufgrund des vergleichweise milden Klimas und der Lage in den Bergen nahe des Libanon war Zabadani lange als überregionaler Tourismusmagnet berühmt. Seit Beginn der Revolution engagierten sich BürgerInnen und AktivistInnen in Zabadani gegen das Regime Bashar al-Assads, was zu täglichen Bombardements und Belagerung geführt hat. In den folgenden Interviews haben AktivistInnen Stimmen aus Zabadani über die aktuelle Situation vor Ort gesammelt. Wir haben die arabischen Beiträge hier ins Deutsche übertragen. Einige der Beiträge sind bereits im Liveblog zu Genf II veröffentlicht worden.

Interview I

“Wir sind hier am zentralen Platz in Zabadani, dem Sahet Al Arab [Platz der Araber]. Hier befanden sich früher all die kleinen Läden und Händler, die ihre Waren verkauft haben. Es war hier voll mit Menschen, du brauchtest drei Stunden, um hier mit dem Auto überhaupt reinzukommen. Jetzt befinden wir uns 550 Tage unter Beschuss. Warum? Das weiß keiner. Die Kampfflugzeuge, die Panzer, die Granaten – Warum? Selbst wenn wir zu den Waffen greifen würden, dann wären das doch maximal Gewehre. Es gibt wirklich keine schlimmere Armee als die syrische. Das syrische Volk hat die Armee unterstützt und ernährt – nun zeigt sich: Sie ist die schlimmste Armee auf der ganzen Welt. Schaut euch um, die von der Bombardierung zerstörten Häuser, diese ganze Zerstörung! Wir werden belagert und die Stadt ist vollständig abgeriegelt. Wir haben nicht einen einzigen Bissen Brot, sie lassen uns überhaupt keine Lebensmittel in die Stadt rein bringen. Geographisch ist das so: Nach Zabadani gibt es nur eine Straße, die Armee des Regimes steht dort und verhindert die Einfuhr von allem. Und zu Genf II – Genf II ist wie jede andere Konferenz auch. Sie spielen mit uns. Wir, das syrische Volk , wir haben nichts mehr. Die internationale Gemeinschaft will uns nicht helfen. Wenn sie das gewollt hätten, dann hätten sie das von Beginn der Krise getan. Das sind doch alles Maskeraden, damit sie ihr Gesicht wahren können. Sie arbeiten mit dem Regime, mit der syrischen Armee zusammen an unserer Zerstörung.”

Interview II

“Wir sind jetzt in der Stadt Zabadani, die einmal für den Tourismus berühmt war. Am Anfang der Revolution haben hier Demonstrationen gegen das Regime stattgefunden. Die Antwort des Regimes bestand darin, Zabadani zu zerstören und zu belagern. Wir sind nun seit fast 520 Tagen belagert. Durch die Belagerung kommen viele Dinge nicht mehr in die Stadt, z.B. Lebensmittel und Brennstoffe. Sie haben den Strom abgestellt, wie ihr sehen könnt, wurden die meisten Stromkabel auch zerstört und liegen nun hier auf dem Boden. Das Wasser haben sie auch abgestellt.Es gibt bislang mehr als 400 Tote aus unserer Stadt. Was die Zahl der Inhaftierten angeht: Die genaue Zahl kennen wir gar nicht, aber es sind definitiv mehr als 400-500 Personen. Ebenso kennen wir auch nicht die Nummer derjenigen, die in den “Gefängnissen der Besatzung” [gemeint ist das Regime Assad] gestorben sind.” Anschließend berichtet der Interviewte über die Schäden an den umliegenden Gebäuden, die auch Regierungsgebäude wie das Polizeihauptquartier miteinschließen. Die Schäden lassen erkennen, dass auch explosive Fässer vom Regime eingesetzt werden.

“Wir schmuggeln Brot in die Stadt. Ein Packen Brot kostet somit 250-300 Lira. Die Preise sind insgesamt sehr hoch. Die gesamte Region leidet unter der Schärfe der Besatzung.” Wie der Interviewte ferner berichtet, leidet Zabadani unter einer umfassenden Belagerung, da mehr als 200 Regime-Stützpunkte den Ort von den angrenzenden Bergen aus umzingeln. Neben dem alltäglichen Beschuss durch das Regime kreisen auch Militärflugzeuge über dem Ort. Die dramatische Sicherheitslage wirkt sich demnach deutlich auf die Stadt Zabadani und ihre Bewohner aus.

Interview III

“Wir sind seit 550 Tagen unter Beschuss. Sie schießen mit Raketen auf uns, mit Panzergranaten, mit Fassbomben, mit Helikoptern, mit MIG-Kampflugzeugen. Die Stadt ist komplett belagert: Es kommen weder Brot, Tahine, Babymilch noch Medikamente zu uns rein. Gar nichts kommt nach Zabadani rein. Was haben wir getan? Was haben wir verbrochen? Bis jetzt weiß ich es nicht… Wir haben nichts getan…”, sagt ein Anwohner Zabadanis über die aktuelle Situation.

Interview IV

“Seit drei Jahren Proteste, Beschuss, Verhaftungswellen der Sicherheitsbehörden [der Anfang der Revolution in Zabadani]. Dann hat Bashar angefangen, uns zu bombardieren. Jetzt gibt es keinen Strom, kein Wasser, keine Lebensmittel, kein Heizöl, einfach nichts. Und zusätzlich zu alldem immer der Beschuss: Mit Flugzeugen, Granaten, Fassbomben, Raketen. Wir haben nichts mehr außer Gott!”, äußert dieser Einwohner mehr als ernüchtert.

Interview V

Das letzte Video enthält die Aussagen eines Arztes des lokalen medizinischen Komitees von Zabadani. Er spricht über die zahlreichen medizinischen Folgen der Belagerung und des täglichen Beschusses:

“Zabadani ist seit 550 Tagen durchgängig belagert. Zu der Belagerung zählt auch, dass keine Lebensmittel und keine Medikamente in die Stadt gelassen werden. Zusätzlich zur vollständigen Abriegelung ist die Stadt einer durchgängigen Bombardierung ausgesetzt. Täglich. Wir werden täglich mit dutzenden Granaten beschossen, ohne jeden Grund. Es fühlt sich so an, als würde das der Armee, die uns bombardiert, Freude bereiten. Als hätten sie Spaß am Leiden der Zivilisten. Hinsichtlich der Verletzungen, die diese Zivilisten aufweisen, gibt es eine Auffälligkeit: An einem Tag sind alle Verletzungen z.B. in der Brust, an einem anderen Tag sind sie am Bauch, manchmal befinden sich alle hinten am Körper und manchmal am Hals oder Kopf. Als würde die Armee des Regimes daran Spaß haben, Zivilisten zu verletzen. Als wäre es ein Spiel.

Es treten hier auch die unterschiedlichsten Formen von Depressionen und psychischen Krankheiten auf. Depressionen gibt es vor allen Dingen unter den Kindern und Frauen, aber auch unter Männern. Dies alles ausgelöst durch die anhaltende Bombardierung, das Leiden, dass sie ständig sehen, die Belagerung. Wir versuchen, sie mit entsprechenden Medikamenten zu behandeln. Die Checkpoints an den Einfahrtswegen zur Stadt lassen jedoch nichts herein, nicht einmal die einfachsten Medikamente, die die Menschen manchmal mit sich führen. Auch in die Gebiete mit Flüchtlingen oder in die Gebiete, die das Regime selbst kontrolliert, lassen sie absolut nichts rein.

Meiner Meinung nach gibt es in der Koalition [der Opposition] keine starke Politik. Sie sollten versuchen, eben jene Taktiken zu vermeiden, an die wir vom Regime gewöhnt sind. Sie sollten zudem nicht von den Zielen der Revolution abrücken. Ich denke, es werden sehr schwierige Verhandlungen [in der Schweiz] werden. Keiner hier glaubt, dass das Regime – das seit 40 Jahren tötet, Menschen verhaftet und mit einem gewissen Genuss die Bevölkerung quält -, dass dieses Regime einfach so abtreten oder verschwinden wird. Außer vielleicht durch eine militärische Lösung.”

Adopt a Revolution unterstützt das Komitee von Zabadani. Helfen Sie mit ihrer Spende den Menschen, die sich für den Frieden in Zabadani einsetzen.

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