Warum die Straflosigkeit von Kriegsverbrechen uns alle angeht

Im Dezember 2016 hat die UN-Generalversammlung einen Mechanismus zur Untersuchung der in Syrien begangenen Kriegsverbrechen beschlossen. Das Ziel: Die Vorbereitung von Anklagen vor dem Internationalen Strafgerichtshof und anderen Gerichten. Doch die internationale Gemeinschaft agiert unentschlossen.

13 Millionen Dollar – so viel soll der Untersuchungsmechanismus “IIIM” jährlich kosten. Im Kontext der Vereinten Nationen sind das Peanuts, wie Experten betonen. Und dennoch: Auch mehr als sechs Monate nach dem Entschluss über die Einrichtung des Untersuchungsmechanismus haben die Mitgliedstaaten der UN noch immer nicht ausreichend Gelder für die Untersuchungen bereitgestellt.

Und so stocken die Vorbereitungen: Bereits bis Ende Februar hätte etwa laut offiziellem Fahrplan ein Chefermittler bestimmt werden sollen, doch stattdessen konnte die Stelle erst Ende April überhaupt ausgeschrieben werden. Rund vier Millionen Dollar fehlen noch immer, für das Folgejahr 2018 sieht es noch weit schlechter aus, nur wenige Millionen wurden bislang zugesagt.

Weder Russland, noch die Vereinigten Staaten, der Iran oder Saudi-Arabien haben bislang einen Cent eingezahlt – Staaten also, die an vorderster Front in den Konflikt involviert sind und zumindest im Falle der beiden erstgenannten auch am lautstärksten nach „Aufklärung“ schrien.

Kriegsverbrechen lohnen sich – wenn wir sie nicht ahnden

Ein fatales Signal. In den letzten sechs Jahren hat sich in Syrien ein brutaler internationalisierter Bürgerkrieg entwickelt. Wie in jedem anderen Krieg machen sich alle Kriegsparteien schuldig. Bislang blieben all diese Verbrechen – darunter der Einsatz von Giftgas und anderen völkerrechtlich geächteten Waffen, gezielte Angriffe auf Krankenhäuser oder das Aushungern ganzer Städte – ungeahndet. Das ermutigt die Täter. Sie stellen fest, dass selbst schlimmste Kriegsverbrechen für sie keine Konsequenzen haben, der Terror, den sie ausüben, auf dem Schlachtfeld aber zum Erfolg führt.

„Weil wir marginalisierte, dunkelhäutige und kolonisierte Syrer sind, stehen unsere mörderischen Monster nicht vor Gericht, nein, unsere Monster werden an den Verhandlungstisch geladen.“

Das schrieb der syrische Journalist Karam Nachar kürzlich an dieser Stelle. Und es geht dabei nicht nur um Syrien. Die Aushöhlung des internationalen Rechts ermutigt auch andere Regierungen immer rücksichtloser und autoritärer gegen Oppositionelle im eigenen Land vorzugehen. Diktatoren, Autokraten und Warlords blicken nach Syrien und lachen sich ins Fäustchen. Ein Blick auf die Liste jener Staaten, die im Dezember gegen den Untersuchungsmechanismus votierten, beweist das eindrucksvoll: Nordkorea, Simbabwe, Weißrussland, Südsudan, Burundi, Russland, Iran.

Der große syrische Intellektuelle Yassin al-Haj Saleh stellte angesichts der zunehmenden Abwesenheit jeder Moral bei der Betrachtung der Syrienfrage durch die internationale Gemeinschaft einmal fest, dass Syrien nicht demokratisiert worden, die Welt stattdessen aber „syrisiert“ worden sei.

Die Barbarei wird Schule machen – und kann uns eines Tages alle treffen 

Der neue UN-Untersuchungsmechanismus, dem eine quasi-staatsanwaltliche Funktion zukäme, wäre in der Lage zumindest einen allerersten Schritt zu tun, um der Straflosigkeit entgegenzutreten und das Menschenrecht gegen die Barbarei zu verteidigen. Dass die UN-Mitgliedsstaaten nicht mit voller Entschlossenheit dahinterstehen, ja, dass das Geld nicht binnen weniger Tage auf den Konten der UN lag, ist an sich ein Skandal.

Wenn wir jetzt nicht handeln, dann stehen die Lehren auf dem Spiel, die die Weltgemeinschaft  einst aus dem Zweiten Weltkrieg zog: Dass Kriegsverbrechen von den Vereinten Nationen verfolgt und bestraft werden müssen. Seit dem Zweiten Weltkrieg ist die Zahl der Toten durch bewaffnete Konflikte immer weiter gesunken. Wenn wir jetzt nicht dafür sorgen, dass die in Syrien begangenen Kriegsverbrechen mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln geahndet werden, werden diese Kriegsverbrechen in künftigen Kriegen Schule machen.  Werden sie nicht geächtet und bestraft, dann lohnen sie sich für die Täter. Das bedroht potentiell uns alle – überall.

No Justice – No Peace

Vor allem aber geht es um jene, die bereits erfahren haben, wie es ist, wenn die Weltgemeinschaft wegsieht: Die Syrerinnen und Syrer. Ihre Zukunft hängt unmittelbar daran, ob die Kriegsverbrecher vor Gericht stehen werden – oder nicht.  Denn wenn den Opfern keine Gerechtigkeit widerfährt, ist ein nachhaltiger Frieden kaum denkbar. Der Kreislauf der Rache, der bis heute im Irak stets neue Monster gebärt, ist dafür ein mahnendes Beispiel: No Justice – No Peace.

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