Solidarität mit Geflüchteten – Auch über Kreuzberg hinaus

Im Folgenden dokumentieren wir den Aufruf “Wort halten!“, der von Einzelpersonen mit Unterstützung der Amadeu Antonio Stiftung und PACIFICO GRAFIK initiiert wurde. Auslöser ist der Fall der Gerhart-Hauptmann-Schule in Berlin-Kreuzberg, in der Flüchtlinge im Juni/Juli 2014 tagelang von der Polizei umstellt wurden. Nicht nur in Berlin formiert sich seit Jahren Widerstand gegen die harschen Regelungen, […]

Im Folgenden dokumentieren wir den Aufruf “Wort halten!“, der von Einzelpersonen mit Unterstützung der Amadeu Antonio Stiftung und PACIFICO GRAFIK initiiert wurde. Auslöser ist der Fall der Gerhart-Hauptmann-Schule in Berlin-Kreuzberg, in der Flüchtlinge im Juni/Juli 2014 tagelang von der Polizei umstellt wurden. Nicht nur in Berlin formiert sich seit Jahren Widerstand gegen die harschen Regelungen, denen Flüchtlinge in Deutschland wie der EU unterworfen werden. Mit immer neuen Protesten fordern Flüchtlinge, die oft auch räumlich an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden, ihre Sichtbarkeit und ihre Rechte ein.

Der Fall der Gerhart-Hauptmann-Schule zeigt, wie es Menschen ergeht, die sich auf zumeist langen und gefährlichen Wegen nach Deutschland flüchten konnten. Doch die Abschreckungspolitik der EU, die auch maßgeblich von Deutschland mitgetragen wird, fängt bereits an den Land- und Seegrenzen Europas an. Mit immer neuen Zäunen und Satelliten sollen Flüchtlinge von den “verheißenden” Grenzen der EU ferngehalten werden. Der Preis ist hoch: Jedes Jahr sterben Tausende Menschen an den Außengrenzen der EU.

Auch wenn z.T. im Kleinen scheinbar Übereinkommen getroffen werden, ändert sich doch nichts an den rechtlichen Grundbedingungen, nach denen in Deutschland ankommende Flüchtlinge behandelt werden. Im Falle Syriens täuscht zudem die Aufnahme von 15.000 Kontingentflüchtlingen – nach mittlerweile mehr als drei Jahren des Konflikts – nicht darüber hinweg, dass in akuten Krisenfällen wenig getan wird. Nicht zuletzt die medienwirksame Initiative des “Zentrums für politische Schönheit“, die forderte, 55.000 syrische Kinder in Deutschland aufzunehmen, offenbarte den Unwillen der deutschen Bundesregierung, für eine ausufernde humanitäre Krise wie Syrien flexibel und mit mehr Menschlichkeit zu reagieren.

Adopt a Revolution unterstützt seit langem Forderungen für eine großzügige Aufnahme syrischer Flüchtlinge. Solidarität mit Geflüchteten endet jedoch nicht im Falle Syrien – Fälle wie jener der Gerhart-Hauptmann-Schule erfordern eine offensive Positionierung der deutschen Zivilgesellschaft für die Rechte von Flüchtlingen. Von daher schließt sich Adopt a Revolution dem untenstehenden Aufruf an.

Wort halten!

Solidarität mit den Geflüchteten auf dem Dach!

Berlin, den 1. Juli 2014

Seit Tagen sperrt die Berliner Polizei die Straßen um die ehemalige Gerhart-Hauptmann-Schule in Kreuzberg ab. Sie belagert ein paar Dutzend Refugees, die sich auf das Dach des Gebäudes zurückgezogen haben. Über viele Monate war die Schule ein Rückzugsraum für Refugees, die sich für Verbesserungen in der Flüchtlingspolitik einsetzen. Die Polizeiliche Präsenz suggeriert eine Gefahrenlage, die AnwohnerInnen und BürgerInnen verunsichert. MedienvertreterInnen wird der Zugang zur Schule verwehrt; die im Ramadan fastenden Refugees werden nachts durch die Polizei am Schlafen gehindert. Diese unerträgliche Zuspitzung zeigt einmal mehr, dass die Forderung nach einem menschenwürdigen Umgang, den die Refugee Bewegung der letzten zwei Jahre für sich und andere eingefordert hat, politisch nicht beantwortet wird.

Denn: Der Senat Berlin hat die Geflüchteten in eine ausweglose Situation gebracht. Nachdem er im März mit protestierenden Refugees erste Abmachungen getroffen hatte, sind diese Versprechungen heute, fast vier Monate später, nicht erfüllt. Nun haben mehrere Geflüchtete angekündigt, sich vom Dach der Schule zu stürzen, wenn es an Stelle einer politischen Lösung zu einer Räumung der Schule durch die Polizei kommt. Ihr Hinweis, dass der Senat seine Versprechungen nicht einhält, findet zu wenig Beachtung.

Es ist die Aufgabe der verantwortlichen PolitikerInnen, der InnenministerInnen aus Bund und Ländern, eine politische Lösung für die grundrechtswidrige Situation zu finden. Paragraph 23 des Aufenthaltsgesetzes sieht diese Lösung vor:

Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass Ausländern aus bestimmten Staaten oder in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird.

Die Refugee Bewegung der vergangenen beiden Jahre hat Deutschland mit praktischen Fragen von Menschenrechtspolitik konfrontiert. Der erste Paragraph des Grundgesetzes lautet: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlicher Gewalt.“ Die Refugees erinnern an diesen Auftrag des Grundgesetzes, helfen also bei der Wahrung der politischen Interessen der Bundesrepublik. Sie erinnern daran, dass Menschenrechte immer wieder neu erkämpft und verteidigt werden müssen.

Wir fordern die Gewährung eines dauerhaften Bleiberechts nach § 23, Abs. 1 Aufenthaltsgesetz für die Refugees. Wir fordern außerdem den sofortigen Abzug der Polizei, den uneingeschränkten Zugang der Presse in die Schule, ein Ende der Kriminalisierung der Proteste und einen politischen und respektvollen Umgang mit den Protestierenden.

Transskription der Verlesung der Vereinbarung zwischen Refugees und dem BA Friedrichshain-Kreuzberg in der Nacht vom 2. auf 3. Juli:

http://ohlauerinfopoint.wordpress.com/2014/07/02/transkription-der-verlesung-der-vereinbarung-mit-dem-bezirksamt/

Aufenthaltsgesetz, Grundrechte im Grundgesetz:

http://www.gesetze-im-internet.de/aufenthg_2004/

http://www.gesetze-im-internet.de/gg/BJNR000010949.html