Ost-Ghouta: Schüsse und Repression

Anfang März wurde unser Partner Abdulsattar in Erbin angeschossen. Derweil nimmt die Repression gegen zivile Aktivisten in den östlichen Damaszener Vororten weiter zu.

Um 3 Uhr nachts stürmen zwei bewaffnete Vermummte in das Büro unserer Partner. Abdulsattar glaubt zuerst es mit dem Rebellen zu tun zu haben, fragt was sie von ihm wollen, als einer der Männer eine Waffe zieht und ihm in die Brust schießt. Dann kommen Freunde Abdulsattars und die Angreifer fliehen.

Wie durch ein Wunder hinterlässt die Kugel nur eine einfache Wunde.

Am nächsten Morgen identifizieren lokale Sicherheitskräfte einen der Angreifer als persönlichen Bekannten von Abdulsattar. Bis jetzt ist unklar, was die genauen Motive für die Tat waren. Der Mann ist einmal politischer Aktivist gewesen und radikalisierte sich dann immer mehr. Kämpfte schließlich für die Nusra-Front bevor diese ihn herauswarf und er sich anscheinend ideologisch dem „Islamischen Staat“ zuwandte.

Abdulsattar und seine Mitstreiter betreiben alternative säkulare Schulen, auch um dem Einfluss islamistischer Eiferer zu kontern und engagieren sich auch darüber hinaus kritisch gegen die Willkür bewaffneter Gruppen und ziehen regelmäßig Missmut auf sich, wenngleich ihre Unterstützung in der Zivilbevölkerung groß ist.

Denkbar ist aber auch, dass ein trivialer Raub hinter der Tat steckt: Am nächsten Tag hatten Abdulsattar und seine Kollegen die Bezahlung der Lehrer ihrer Schulen geplant und dementsprechend eine größere Menge Bargeld im Büro.

“Ich verlasse dieser Tage meine Wohnung nicht mehr bei Nacht”, sagt Abdulsattar. „Es war schockierend, dass ich diesen Mann persönlich kannte.“

Büroräume geschlossen und versiegelt
Auch darüber hinaus stehen zivile Aktivisten in den östlichen Damaszener Vororten, zu denen auch Erbin gehört, gewaltig unter Druck.

Einige Dutzend islamistische Demonstranten stürmten am Dienstag ein Gebäude im benachbarten Douma, in dem mehrere zivilgesellschaftliche Organisationen untergebracht sind. Was als Protest gegen einen vermeintlich blasphemischen Zeitungsartikel begann, endete in der Verwüstung der Büroräume. Auch das von der verschwundenen Menschenrechtsanwältin und ehemaligen Partnerin von Adopt a Revolution, Razan Zeitouneh, mitgegründete Violations Documentation Center war von der Gewalt betroffen. An den Wänden hinterließ der Mob Drohungen.

Die von der radikalen Miliz Jaysh al-Islam kontrollierte örtliche Justiz reagierte mit der vorläufigen Schließung der Büroräume. “Diese Entscheidung zementiert die absolute militärische Hegemonie“, kritisieren die betroffenen Organisationen in einer Stellungnahme. So würde jede unabhängige Initiative, die nicht von den dominanten lokalen Kräften kontrolliert wird, verhindert.

Auch die Luftangriffe auf Ost-Ghouta nehmen kein Ende, obwohl der Kreml am Dienstag einen Waffenstillstand für die Region verkündet hatte. „Russland lügt”, sagt Abdulsattar. “Es gibt keinen Waffenstillstand. Jeden Tag gibt es Luftangriffe, die Situation ist schlecht. Hier leben 350.000 Menschen, die darauf warten endlich ein Licht am Ende dieses dunklen Tunnels zu sehen.”

Allein im Februar starben laut Violations Documentation Center trotz angeblicher landesweiter Waffenruhe 1.235 Menschen bei Kampfhandlungen und Bombardements. Rund 60 Prozent von ihnen waren Zivilisten.

Mehr zur Lage in Ost-Ghouta: Abdulsattars Bruder Omar Sharaf berichtet im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur über die extrem kritische Situation.

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