„Razan ist ein Symbol der Revolution“ – Interview mit Rim Zaitouneh

Im Dezember 2013 wurden in einem Vorort von Damaskus Razan Zaitouneh sowie drei ihrer MitstreiterInnen entführt. Die Anwältin war am Aufbau des AktivistInnen-Netzwerks der Lokalen Koordinationskomitees (LCC) beteiligt und leitete zuletzt das Violations Documentation Center in Syria (VDC), das Menschenrechtsverletzungen aller Kriegsparteien dokumentierte. Razan wurde unter anderem mit dem Menschenrechtspreis des Europäischen Parlaments und dem […]

Die syrische Menschenrechtlerin Razan Zeitouneh, die im Dezember 2013 entführt wurde. (c) Razan Zeitouneh.
Die syrische Menschenrechtlerin Razan Zeitouneh, die im Dezember 2013 entführt wurde. (c) Razan Zeitouneh.

Im Dezember 2013 wurden in einem Vorort von Damaskus Razan Zaitouneh sowie drei ihrer MitstreiterInnen entführt. Die Anwältin war am Aufbau des AktivistInnen-Netzwerks der Lokalen Koordinationskomitees (LCC) beteiligt und leitete zuletzt das Violations Documentation Center in Syria (VDC), das Menschenrechtsverletzungen aller Kriegsparteien dokumentierte. Razan wurde unter anderem mit dem Menschenrechtspreis des Europäischen Parlaments und dem Petra-Kelly-Preis ausgezeichnet. Interview mit ihrer Schwester Rim Zaitouneh.

Gibt es irgendwelche Neuigkeiten von Razan?

Seit Dezember 2013 haben wir nichts von Razan gehört. Ich kann mir nichts anderes vorstellen, als dass sie erschöpft ist und vermutlich sehr wütend, enttäuscht und verbittert über den Verrat an ihr und den Idealen der Revolution.

Die Entführung hat sich im befreiten Douma ereignet, also außerhalb des Zugriffs des Regimes. Die dortigen bewaffneten Brigaden haben damals lediglich eine Erklärung abgegeben, Razan nicht entführt zu haben. Doch die Versprechen, sie aufzuspüren und zu befreien, bleiben weiter unerfüllt. Letztlich verantwortlich ist Zahran Alloush, der Oberbefehlshaber der militärischen Kräfte in Ost-Ghouta, denn er muss für das Wohlbefinden der Menschen dort sorgen.

Welche Motive vermuten Sie hinter der Entführung?

Razan ist eine Symbolfigur der syrischen Revolution. Von ihrer Entführung profitieren sowohl das Assad-Regime als auch die bewaffneten Brigaden vor Ort. Denn das freie Wort ist eine starke Waffe gegen Unrecht und Verbrechen. Daher fürchten beide Seiten ihre Arbeit: Die Dokumentation von Menschenrechtsverbrechen; unabhängig, von wem sie begangen wurden.

Mit ihren Berichten hat Razan der Welt ein Bild davon vermittelt, wie die Lage in Syrien in Wirklichkeit ist. Beispiele sind der Chemiewaffenangriff auf die Vorstädte von Damaskus, aber auch die Ausbeutung der Bevölkerung durch die bewaffneten Brigaden.

Auch die humanitäre Arbeit, die Razan und ihre MitstreiterInnen über das AktivistInnen-Netzwerk LCC leisteten, war beiden Seiten ein Dorn im Auge. Das Assad-Regime will durch die Belagerung Ost-Ghoutas den Aufstand der BewohnerInnen endgültig in die Knie zwingen. Auf der anderen Seite nutzen die Bewaffneten der Islamischen Front die humanitäre Not, um ihren eigenen Einfluss auszuweiten. Es ist eindeutig, dass mit der Entführung die Rolle der gemäßigten Kräfte in der Opposition weiter marginalisiert werden sollte.

Welche Forderungen haben Sie an die internationale Gemeinschaft bezüglich der Entführten?

Unser Appell richtet sich an die verschiedenen Akteure der internationalen Gemeinschaft. Wir fordern, die Freilassung der vier Entführten vehement einzufordern und Druck auf jene Staaten auszuüben, die die Brigaden in Ost-Ghouta finanzieren. Außerdem brauchen wir die Hilfe der internationalen Zivilgesellschaft und NGOs. Die internationale Gemeinschaft ist fähig, unser Problem zu lösen, nicht nur für Razan, sondern für alle politischen Gefangenen in Syrien – von wem auch immer sie inhaftiert wurden.

Rim Zaitouneh, 30, ist Menschenrechtsaktivistin und arbeitet im Violations Documentation Center (VDC), das ihre Schwester Razan Zaitouneh aufgebaut hatte. Das VDC dokumentiert die Namen der Festgenommenen, Getöteten und Gefolterten in Syrien. Interview: Sophie Bischoff

Wie Razan arbeiten in Syrien hunderte zivile AktivistInnen weiter für eine demokratische Gesellschaft mit garantierten Menschen- und Minderheitenrechten, jenseits von Diktatur und dschihadistischem Terror. Adopt a Revolution unterstützt die Projekte dieser AktivistInnen, sei es die selbstorganisierte Schule für religiöse Toleranz oder das Zentrum zur zivilen Konfliktlösung. Helfen Sie mit Ihrer Spende.

Jetzt syrische Zivilgesellschaft stärken!

Dieser Beitrag erschien auch in der Adopt a Revolution-Zeitung vom Dezember 2014. Gerne können Sie kostenlos, beziehungsweise gegen Spende Exemplare der Zeitung bestellen, zum Lesen, Weitergeben an FreundInnen und Bekannte oder zum Verteilen bei Veranstaltungen. Schicken Sie uns dazu einfach eine Email an: info@adoptrevolution.org.