Pressemitteilung: Situation in Ghouta schlimmer als Aleppo

Angriffe richten sich direkt auf die Zivilbevölkerung / Bundesregierung muss Russland in die Pflicht nehmen / Dramatische Berichte von Partnern vor Ort.

Berlin, 22. Februar. Die massiven Luftschläge des syrischen Regimes und Russland auf die östlichen Vororte von Damaksus, der Ost-Ghouta, dauern an. Von Montag bis Mittwoch Morgen sind laut Angaben von Ärtze ohne Grenzen (MSF) allein in den von ihnen ausgerüsteten medizinischen Einrichtungen Ost-Ghoutas 237 Tote und 1285 Verletzte gezählt worden.

Dazu Elias Perabo, Geschäftsführer der Menschenrechtsorganisation Adopt a Revolution: „Die Hölle von Aleppo wiederholt sich in den Vororten von Damaskus. Wie 2016 in Aleppo ist der Krieg in Ghouta kein Krieg, bei dem auch Zivilisten getroffen werden. Das ist ein Krieg, der sich unmittelbar gegen unbewaffnete ZivilistInnen richtet.“ Ziel der Offensive des Regimes und Russlands sei es, ziviles Leben in Ost-Ghouta unmöglich zu machen.

“Während die Fronten am Boden relativ ruhig sind und kaum Kämpfe stattfinden, kommt der Tod aus der Luft“, berichtet Sophie Bischoff, Projektkoordinatorin von Adopt a Revolution, die täglich im Austausch mit zivilgesellschaftlichen AktivistInnen in Ost-Ghuta steht. In Ost-Ghouta sind laut MSF allein in den letzten Tagen 13 medizinische Einrichtungen durch das Bombardement zerstört worden. Wie bereits bei der Aleppo-Offensive vom Dezember 2016 zerstören das syrische Regime und Russland gezielt Krankenhäuser und andere lebenswichtige zivile Infrastruktur, um die Bevölkerung zum Aufgeben zu zwingen.

Die Situation ist schlimmer als in Aleppo“, so Sophie Bischoff weiter. Die Zahl der ZivilistInnen in Ost-Ghouta sei deutlich höher, die Belagerung härter, die Versorgungslage noch dramatischer. Die Truppen des Assad-Regimes lassen bislang so gut wie niemanden aus dem Belagerungsring entkommen. “Hier werden Menschen eingeschlossen, buchstäblich ausgehungert und dabei Tag und Nacht bombardiert”.

Reaktion der Bundesregierung halbherzig: Besorgnis reicht nicht!

Adopt a Revolution begrüßt die Erklärung der Bundesregierung zu den Geschehnissen in Ghouta. Regierungssprecher Steffen Seibert hat klar benannt, dass das syrische Regime in Ost-Ghouta einen Krieg gegen die eigene Zivilbevölkerung führt. „Warum aber spricht die Bundesregierung nicht die unmittelbare Beteiligung der russischen Luftwaffe an den Bombardements in Ost-Ghouta an?” fragt Elias Perabo. “Wenn es die Bundesregierung mit ihrer Besorgnis um die Menschen in Ghouta ernst meint, sollte sie die russischen Bombardements deutlich verurteilen und den Russischen Botschafter einbestellen.” Dass sich Außenminister Sigmar Gabriel noch vor wenigen Tagen auf der Münchner Sicherheitskonferenz für die Lockerung der Sanktionen gegen Russland aussprach, sei angesichts der Situation in Syrien mehr als irritierend.

Adopt a Revolution arbeitet aktuell mit sieben zivilgesellschaftlichen Partnerorganisationen in Ghouta zusammen – teilweise bereits seit dem Jahr 2013. Wir stehen im täglichen Austausch mit fast allen Projektpartnern und verfügen dementsprechend über eine sehr detaillierte Expertise der Situation vor Ort.

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Die von Adopt a Revolution unterstützen Projekte in der Ost-Ghouta sind die folgende:

  1. Freie Schulen in Erbin: Seit 2013 unterstützt Adopt a Revolution die Freien Schulen in Erbin für 1.800 Kinder. AktivistInnen gründeten die Schulen, damit Kinder der Stadt nicht auf die religiösen Schulen gehen müssen. Zum Schutz vor Bombenangriffen befinden sich die Unterrichtsräume im Keller – und werden zu Zeiten besonders heftigen Bombardements als Luftschutzkeller genutzt.
  2. Frauenzentrum „Nisaa al-Ghouta“, Douma: Um Frauen bei der Gestaltung des Lebens in der Belagerung und unter der Herrschaft islamistischer Milizen das Leben zu erleichtern, bietet das Frauenzentrum „Nisaa al-Ghouta“ („Die Frauen der Ghouta“) unter anderem Rechtsberatung, Weiterbildungskurse und psychosoziale Unterstützung. Seit Anfang 2016 unterstützt Adopt a Revolution diese Arbeit.
  3. Ziviles Zentrum Erbin: Den verschiedenen zivilgesellschaftlichen Initiativen in Erbin einen Arbeits- und Austauschraum zu bieten – das ist das Ziel des Zivilen Zentrums Erbin. Hier treffen sich seit 2014 Apotheker, um sich über selbst zubereitete Medikamente auszutauschen, oder Bürgerjournalisten für Weiterbildungskurse.
  4. Bibliothek „Haus des Wissens“, Douma: Damit das Leben nicht nur aus Überleben besteht, gründeten Frauen 2014 die Bibliothek „Haus des Wissens“. Sie sammelten Bücher aus zerstörten öffentlichen Bibliotheken und nahmen Bücherspenden von Privatpersonen entgegen. Inzwischen organisieren sie Lesewettbewerbe und Buchbesprechungen, um ein kulturelles Leben zu ermöglichen.
  5. Frauenprojekt „Fariq Noor“, Ain Tarma: Gewalt gegen Frauen ist auch in den belagerten Städten von Ost-Ghouta ein Problem – und dagegen wehrt sich das Projekt „Fariq Noor“. Durch Aufklärungs- und Präventionskampagnen versuchen die AktivistInnen (Frauen und Männer gemeinsam), häusliche und sexualisierte Gewalt einzudämmen. Seit 2017 unterstützt Adopt a Revolution das Projekt.
  6. Ton- und Radiostudio Rusul, Douma: Die eigene Musik aufnehmen, Gedichte aufzeichnen oder Radiobeiträge einsprechen: Seit 2015 bietet das Ton- und Radiostudio Rusul die Möglichkeit dazu. Ob Bürgerjournalisten, Dichter oder Filmschaffende, in dem komplett ausgestatteten Tonstudie entsteht vieles von dem, was auf audiovisuelle Weise das Leben im belagerten Ost-Ghouta dokumentiert.
  7. Bildungsinitiaitve Lamset Amal, Hazze: Kinder spielen häufig in den Trümmern zerstörter Gebäude – und viel zu häufig kommt des deshalb zu Verletzungen aufgrund von Blindgängern. AktivistInnen erstellen deshalb Unterrichtsmaterialien für Schulen und bieten Kurse an, um vor den Gefahren der Hinterlassenschaften des Kriegs zu warnen. Seit 2016 unterstützt Adopt a Revolution die Arbeit zum Schutz der Kinder vor Minen.