Pressemitteilung: Bundesregierung muss Konsequenzen aus Giftgaseinsatz in Syrien ziehen

Nach dem Giftgasangriff im syrischen Khan Sheikhoun am 4. April 2017 hatten zahlreiche deutsche Politiker vor Vorverurteilungen gewarnt und unabhängige Untersuchungen angemahnt. Jetzt stellt ein UN-Bericht die Täterschaft der syrischen Regierung für den Sarin-Angriff fest. Angesichts dessen muss die Bundesregierung Konsequenzen ziehen.

Berlin/Leipzig, 27. Oktober 2017 – Am 4. April verübte das syrische Regime in der nordsyrischen Stadt Khan Sheikhoun einen Angriff mit dem Giftgas Sarin. Zu diesem Ergebnis kommt ein Untersuchungsbericht der Organisation für das Verbot Chemischer Waffen (OPCW), der im Auftrag der UN-Sicherheitsrats erstellt und heute in New York übergeben wurde. Mindestens 86 Menschen erstickten damals an dem tödlichen Nervengas.

Der Einsatz von Giftgas löste auch in der Bundesrepublik große Bestürzung aus. Viele Politikerinnen und Politiker der Regierungsfraktionen wie auch der Opposition forderten unabhängige Untersuchungen und eine Bestrafung der Täter – von Bundeskanzlerin Angela Merkel über Außenminister Sigmar Gabriel bis zu Sarah Wagenknecht und Gregor Gysi.

Jetzt, da das Ergebnis der unabhängigen Untersuchung feststeht, darf auf die Aussagen von damals nicht einfach nur beklemmendes Schweigen folgen“, so Elias Perabo, Initiator der deutsch-syrischen Initiative Adopt a Revolution. „Wer jetzt weiter tatenlos zusieht, billigt stillschweigend auch den weiteren Einsatz solcher Waffen. Deshalb muss die deutsche Politik endlich konsequent gegenüber Syrien und Russland handeln.

Die russische Regierung, die das Assad-Regime militärisch durch Luftangriffe und Bodentruppen unterstützt, und der zahlreiche Kriegsverbrechen in Syrien vorgeworfen werden, hat im UN-Sicherheitsrat unabhängige Untersuchungen von Kriegsverbrechen immer wieder mit seinem Veto blockiert – zuletzt Anfang der Woche, als die Verlängerung der Giftgasuntersuchungen in Syrien durch die OPCW beschlossen werden sollte.

Adopt a Revolution fordert folgende Konsequenzen:

  • Aufgrund des Weltrechtsprinzips können in Syrien begangene Kriegsverbrechen vor deutschen Gerichten verhandelt werden. Da eine Verfolgung der Verbrechen des Assad-Regimes vor internationalen Gremien, etwa dem Internationalen Strafgerichtshof, derzeit an russischen Vetos im UN-Sicherheitsrat scheitert, muss die Bundesregierung das Personal des Völkerstraftrechtsreferats bei der Bundesstaatsanwaltschaft deutlich aufstocken.
  • Die Bundesregierung muss die fehlenden Mittel für die unabhängige UN-Untersuchung von Kriegsverbrechen in Syrien zur Verfügung stellen. Bereits im vergangenen Dezember hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen einen Internationalen, Unparteiischen und Unabhängigen Mechanismus (International, Impartial and Independent Mechanism – IIIM) zur Untersuchung von Kriegsverbrechen in Syrien eingerichtet. Derzeit fehlen noch rund 1,7 Millionen Euro im Budget der UN-Ermittler. (Vgl. Crowd4Justice.org)
  • Der Bundestag muss mit einem klaren Beschluss jegliche Normalisierung der Beziehungen mit dem Assad-Regime ausschließen, solange die politisch Verantwortlichen für diese Kriegsverbrechen nicht zur Rechenschaft gezogen wurden. Das Aussetzen der Zusammenarbeit muss jede diplomatische und geheimdienstliche Kooperation beinhalten, um nicht mit den Tätern solcher Verbrechen gegen die Menschlichkeit gemeinsame Sache zu machen.
  • Es darf keine finanzielle Unterstützung beim Wiederaufbau in Syrien geben, ob aus Mitteln der Bundesrepublik oder der Europäischen Union, ohne einen vorherigen glaubhaften politischen Übergang und eine Bestrafung der Verantwortlichen von Kriegsverbrechen.

Zitate von deutschen Politikerinnen und Politikern im Nachgang des Chemiewaffenangriffs der syrischen Luftwaffe finden Sie unten.

Ihr Pressekontakt:
Elias Perabo, Geschäftsführer Adopt a Revolution

Zitate im Nachgang des Chemiewaffenangriffs der syrischen Luftwaffe auf Khan Sheikhoun (Auswahl):

„Kanzlerin: Ich verurteile den offensichtlichen C-Waffenangriff in #Syrien scharf. Solche Kriegsverbrechen müssen bestraft werden.” Regierungssprecher Steffen Seibert (@RegSprecher) am 4. April auf Twitter

„Die Verbreitung von Giftgas in Syrien ist für die Betroffenen eine Katastrophe. Sie wird von uns auf das Schärfste verurteilt. Aufklärung durch die UNO ist dringend nötig. Entweder war es ein Giftgasangriff, dann muss es irgendwann gelingen, die Verantwortlichen wegen eines Kriegsverbrechens zur Verantwortung zu ziehen. Oder es wurde eine Giftgasfabrik bombardiert, in der nicht Syrische Regierungstruppen, sondern andere Truppen Giftgas probierten. Dann sind auch diese scharf zu kritisieren, und zur Verantwortung zu ziehen. (…)“
Gregor Gysi, Präsident der Europäischen Linken am 6. April auf Facebook.

„Ich finde das, was wir jetzt brauchen, ist erst einmal rückhaltlose Aufklärung. Also ich finde schon die Art und Weise, wie sofort bestimmte Dinge als Tatsachen dargestellt werden, das ist einfach unseriös. Also dieser Krieg ist barbarisch. Und in diesem Krieg haben alle Seiten bisher Kriegsverbrechen begangen, alle: das Regime von Assad, die sogenannten Rebellen, die ja überwiegend islamistische Terrormilizen sind (…) Und insoweit finde ich sollte man jetzt nicht voreilig sofort sagen, der oder der war’s. Ich halte alle Seiten ponentiell für skrupellos genug, dieses Gas einzusetzen, aber ich finde, erst einmal muss es untersucht werden“.
Sarah Wagenknecht, Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag in der ZDF-Sendung Maybrit Illner am 6. April 2017

Adopt a Revolution unterstützt seit Anfang 2012 die Arbeit der jungen syrischen Zivilgesellschaft und vermittelt hierzulande Informationen aus der syrischen Demokratiebewegung. Unter www.adoptrevolution.org stellt die Initiative aktuelle Entwicklungen aus der syrischen Zivilgesellschaft dar. Zivile Initiativen in Syrien hat Adopt a Revolution bisher mit über eine Millionen Euro finanziell unterstützt.