Nothilfe im Untergrund

Syrien ist eines der gefährlichsten Länder für Ärzte. Ein neue Studie beleuchtet, was zum Schutz der Mediziner und ihrer Patienten getan werden kann und muss.

Im weltweiten Durchschnitt kommen 13 Ärzte sowie 28 Krankenpfleger und Hebammen auf 10.000 Einwohner – nicht so in Syrien: Sechs Jahre Krieg haben ihren Tribut gefordert. Die Hälfte aller syrischen Ärzte hat das Land verlassen. In von der Opposition kontrollierten Regionen kommen auf 10.000 Menschen nur noch zwei Ärzte und vier Krankenpfleger.

Die dramatische Lage ist kein Kollateralschaden – das Assad-Regime und Russland führen einen systematischen Krieg gegen die medizinische Infrastruktur. 91 Prozent der 454 Angriffen auf Hospitäler, Feldlazarette oder Blutbanken können dem Assad-Regime und seinen Verbündeten zugeordnet werden, auch für die krasse Mehrheit der mindestens 814 getöteten Ärzte, Sanitäter und Krankenpfleger tragen sie die Verantwortung. Allein im April dieses Jahres kam es alle 29 Stunden zu einem Angriff auf eine Nothilfeeinrichtung.

In einer neuen Studie rufen 13 medizinische Hilfsorganisationen und die Syria Campaign diese Fakten wieder ins Gedächtnis – sie wollen Geldgeber dafür sensibilisieren, wie sich medizinische Hilfe in Syrien gestalten muss. Das Problem: Obwohl Budgets durchaus Kosten für den Schutz der Einrichtungen enthalten können, schließen sie nur selten auch Gelder für umfangreichere Infrastrukturmaßnahmen ein. Diese aber sind in Syrien bitter nötig.

Bauarbeiten an einem Untergrundkrankenhaus

Krankenhäuser als Festungen
Die ständigen Angriffe haben dazu geführt, dass Ärzte ihr Heil vermehrt im Untergrund suchen – um sich vor Artillerie und Luftangriffen zu schützen, verlagern sie ihre Aktivitäten seit einigen Jahren in Keller, Höhlen und Erdgeschosse. Diese Orte müssen entsprechend ausgebaut werden. Um ein Hospital zur Festung zu machen gilt es weitere Wände zu errichten und sie mit Sandsäcken zu verstärken, auch die Gebäudeträger gilt es zu stabilisieren, existieren noch Fenster, so sind diese zu verbarrikadieren, unter Umständen baut man weitere Decken ein. Liegt die Klinik in einem Erdgeschoss müssen die leeren Etagen über ihr gesichert werden, damit diese im Falle eines Angriffs nicht in sich zusammenfallen. Keller und Höhlen müssen grundlegend umgebaut werden. Fast alle entsprechenden Einrichtungen in Syrien laufen über Stromgeneratoren, diese gilt es zur Sicherheit in externen Gebäuden unterzubringen, die wiederum zu schützen sind, Eingänge müssen so gestaltet werden, dass sie die Schockwelle nach einer Explosion abschwächen können – und das sind nur einige der Maßnahmen, doch sie sind erfolgreich: In Untergrundkrankenhäusern verloren die Hilfsorganisationen keine Mitarbeiter. Dutzende Einrichtungen konnten jedoch noch immer nicht besonders befestigt worden.

Während der Schlacht um Ost-Aleppo wurde wiederum erstmals bunkerbrechende Munition eingesetzt. Bomben also, die dazu konstruiert wurden auch tief in die Erde einzudringen und auch das gesichertste Gebäude zum Einsturz zu bringen. Es muss befürchtet werden, dass sie wieder genutzt werden. “Wir bitten unsere Geldgeber uns zuzuhören. Wir wissen, wie die syrische Regierung arbeitet, wir wissen, dass die systematischen Angriffe auf Krankenhäuser eine Taktik sind, um die Communities zu brechen”, schreiben die Ärzte im Vorwort der Studie. “Wir haben nun ein schmales Zeitfenster, um medizinische Einrichtungen zu befestigen. Wir wollen nicht eines Tages zurückblicken und uns wünschen, mehr getan zu haben.”

Vom ersten Tag des Konflikts an, hat das syrische Militär die Neutralität medizinischer Einrichtungen verletzt. Bereits Ende März 2011 postierte das Regime Scharfschützen auf dem Dach des Krankenhauses von Daraa, landesweit wurden Ärzte verfolgt, die verletzte Demonstranten behandelten. 250 von ihnen wurden allein 2011 inhaftiert, einige wurden sogar zu Tode gefoltert. „Anti-Terror“-Gesetze kriminalisierten medizinische Hilfe für Oppositionelle 2012 auch offiziell.

Lesen Sie hier die gesamte Studie inklusive mehrerer Fallbeispiele.