Pinter Preis für Samar Yazbek, Gerüchte um Qardaha, regionale Muskelspiele – Netzschau 10. Oktober

Heute scheinen erneut Rätselraten um verbale Muskelspiele und kolportierte Tatsachen die Nachrichten zu bestimmen. So berichtet SPIEGEL Online unter Berufung auf die NYT, 150 US-Militärexperten seien derzeit in Jordanien stationiert. Sie sollten Jordanien helfen, den syrischen Flüchtlingsstrom zu stemmen sowie im Ernstfall die chemischen Waffen in Syrien sichern. Eine Pufferzone zwischen Syrien und Jordanien werde […]

Heute scheinen erneut Rätselraten um verbale Muskelspiele und kolportierte Tatsachen die Nachrichten zu bestimmen. So berichtet SPIEGEL Online unter Berufung auf die NYT, 150 US-Militärexperten seien derzeit in Jordanien stationiert. Sie sollten Jordanien helfen, den syrischen Flüchtlingsstrom zu stemmen sowie im Ernstfall die chemischen Waffen in Syrien sichern. Eine Pufferzone zwischen Syrien und Jordanien werde erwogen, die mit US-Unterstützung durch jordanische Truppen umgesetzt werden könnte.

Der türkische Generalstabschef hat am Mittwoch Syrien mit “größerer Gewalt” gedroht, wenn die Grenzverletzungen nicht aufhören sollten. Heute gab es erneut Scharmützel an der Grenze. Derweil hat die syrische Zeitung Al-Watan (im Besitz des regiemnahen Assad-Cousins Makhlouf) die Türkei beschuldigt, den Beschuss selbst zu inszenieren, um eine Pufferzone in Syrien durchzusetzen. Laut NATO-Generalsekretär Rasmussen gebe es Pläne die Türkei zu verteidigen – falls diese Beistand wünscht.

Ban Ki-Moon hat vom syrischen Staat die Ausrufung einer einseitigen Waffenruhe gefordert. Wenn die Regierung alle Kampfhandlungen eingestellt hat, muss auch die Opposition die Waffenruhe akzeptieren. Die Erwiderung aus Syrien kam bereits durch den Außenamtssprecher: “We told Ban Ki-moon to send emissaries to the countries which have influence on the armed groups, so that they put an end to the violence.” Natürlich muss laut Regime die andere Seite zuerst die Waffen niederlegen… bekannter Standpunkt seit 2011.

Aus Großbritannien kommt jedoch eine erfreuliche Nachricht: Die syrische Autorin Samar Yazbek ist für ihr letztes Buch “A Woman in the Crossfire” (dt. erschienen als “Schrei nach Freiheit”) als Ko-Preisträgerin des Pinter Literaturpreises ausgewählt worden. Yazbeks Tagebuch der syrischen Revolution schildert ihre Erlebnisse von März bis Juli 2011, bis sie ins französische Exil ging. Yazbek wurde für ihr Werk der “Writer Of Courage Award” zuerkannt. Vor der Revolution verfasste sie bereits Bücher und Artikel über brisante gesellschaftliche Themen. Yazbek erhob prominent ihre Stimme gegen Assads Regime und ist dabei eine der vielen alawitischen Aktivisten gegen das syrische Regime.

Aus Qardaha, dem Geburtsort von Assads Vater Hafez al-Assads, kommen seit letzter Woche Gerüchte über Auseinandersetzungen innerhalb der alawitischen Gemeinde. Joshua Landis berichtet kurz über Qardaha und die Opfer, die das Regime auch dort bereits hinterließ. So stammt der kürzlich verhaftete Oppositionelle Dr Abdel-Aziz Al Khayye aus dem Ort. Sicher scheint: es gärt in Qardaha zwischen Verwandten der Assads und anderen Familien, wie Tony Badran darstellt. Laut Badran hat dieser Konflikt größere Ausmaße. Viele Alawiten seien zunehmend verängstigt, durch die Regimegräueltaten kollektiv bestraft zu werden. Dazu mische sich Wut über das Auftreten der Shabbiha in der Küstenregion. Es werde klar, dass Assad nicht um den Schutz der alawitischen Gemeinde bemüht ist, meint Ammar Abdulhamid. Als Nachrichten über Proteste in Qardaha in Syrien auftauchten, zeigten sich viele Komitees auf ihren Demonstrationen solidarisch mit den dortigen Aktivisten.

Dass die verwunderliche Einordnung der syrischen Revolution mancher linker Gruppen in Deutschland nicht isoliert dasteht, zeigt “Syria and the moral decline of the American Left“. Nikolas Kozloff meint, idealerweise würde die internationale Linke gegen jede brutale Repression und Verletzung universeller Menschenrechte eintreten – wer auch immer sie beginge. Dass manche Linke im Fall von Syrien kolossal versagt hätten, zeigt Kozloff anhand von Beispielen.

Der syrische Blogger Maysaloon beschäftigt sich in seinem neuesten Post mit den Hindernissen einer Übergangsregierung unter Farouq al-Sharaa. Derer gibt es drei: Bashar al-Assad, die bislang fehlende Bereitschaft der Opposition zu einer Übergangsregierung sowie die Integration der diversen bewaffneten Gruppen. Maysaloon schließt: “Any hope of stability in Syria rests on somebody overcoming each of these three problems.”

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