Nasrallahs Rede zu Syrien, Massaker in Baida, Belagerung von Yarmuk- Netzschau vom 4. Mai 2013

Jean Aziz geht in al-Monitor der Frage nach, warum der Hisbollah-Führer Hassan Nasrallah seine für den 9. Mai geplante Rede vorgezogen hat. Sie kommt zu den Schluss, dass er sich weiterhin unter Legitimationsdruck in den eigenen Kreisen für die Einmischung in Syrien befindet. Der Kampf, den die Hisbollah vor allem an drei Orten austrägt – […]

Jean Aziz geht in al-Monitor der Frage nach, warum der Hisbollah-Führer Hassan Nasrallah seine für den 9. Mai geplante Rede vorgezogen hat. Sie kommt zu den Schluss, dass er sich weiterhin unter Legitimationsdruck in den eigenen Kreisen für die Einmischung in Syrien befindet. Der Kampf, den die Hisbollah vor allem an drei Orten austrägt – Sayyida Zainab in Damaskus, Qusayr in der libanesisch-syrischen Grenzregion und im Südlibanon – sei durch drei Gründe legitimiert: Der Kampf in Syrien diene der palästinensischen Sache, Selbstverteidigung – da einige libanesische Parteien versuchen Hisbollah zu schwächen und drittens betonte er die religiöse Legitimität des Kampfes: der schiitische Schrein von Muhammads Tochter, Zaiyyida Zainab, müsse geschützt werden. Aziz analysiert dazu: „The Shiite world fear [for the] Zeinab’s shrine; hence the slogan “Zeinab will not be imprisoned twice,” which points to the historic, religious and political dimensions of the conflict. It is a conflict that seems to be weeks or months old, but is rooted in an event 14 centuries ago.” In seiner Rede betonte Nasrallah auch, dass man die libanesischen Bürger in Syrien beschützen müsse, diese Argumentation stellen Demonstrationen in Syrien in Frage, etwa mit diesem Plakat aus Homs: „Wenn du die Libanesen in Syrien verteidigst, dann wäre es doch unser Recht, Syrer im Libanon zu verteidigen.“

Zum Massaker in dem sunnitischen Dorf al-Baida im Herzen der alawitischen Region Banyas am Donnerstag schreibt Ruth Sherlock im The Daily Telegraph: „Was als Kampf zwischen Oppositionsrebellen und Regierungstruppen begonnen hat in dem Dorf Bayda, hat sich zu einem Schauplatz von Rachemorden entwickelt.“ Berichten zufolge wurde das Dorf zunächst beschossen und dann von Regierungstruppen zusammen mit lokalen Alawiten-Milizen angegriffen. Baida steht beispielhaft für den gezielten sektiererischen Charakter, den diese Ermordungen seitens des Regimes tragen (Siehe dazu auch Islamwissenschaftler Pierret im Interview). Inzwischen wird schon von einem zweiten Massaker in einem ebenfalls sunnitischen Teil der Gegend Banyas bei dem mindestens 70 Menschen umgekommen seien, berichtet.

The Guardian berichtet, dass die kämpferischen Auseinandersetzungen in Syrien, nun für viele Flüchtlinge aus Syrien, Gaza in den palästinensischen Gebieten, als Emigrationsziel attraktiv erscheinen lässt. Bisher haben 500 palästinensische Syrer Gaza erreicht. Oft unfreiwillig: nicht alle Palästinenser aus Syrien haben einen syrischen Ausweis. Dies betrifft vor allem Palästinenser die nicht zu den 1948-Flüchtlingen gehören. Schaffen es diese nun aus Syrien raus, etwa nach Ägypten, dann halten sie sich dort illegal auf und werden von Ägypten in ihr „Ursprungsland“ abgeschoben, in diesem Falle Gaza.

Der Stadtteil Camp Yarmuk im Süden von Damaskus, der in einer Vielzahl von palästinensischen Syrern bewohnt wird, ist nun bereits zum wiederholten Mal seit bereits einer Woche von Regimesoldaten belagert. Dementsprechend kann niemand das Camp verlassen, es ist aber auch niemandem der Eintritt erlaubt, wer sich dem Checkpoint nähert wird gewarnt und ggf. beschossen. Nahrungsmittel sind knapp. Außerdem ist das Camp Raketenbeschuss ausgeliefert, was bereits zu  Todesopfern geführt hat. Diese Demonstranten aus Yarmuk fragen: „Wo ist die UNRWA, wo ist UNHCR?“ und klagen über Hunger. Damit steht Yarmuk beispielhaft für den Versuch des Regimes, Städte/Stadtteile, die sich seiner Herrschaft entzogen und wiedersetzt haben, durch gezieltes Aushungern und Töten zu „disziplinieren“.

Auf Twitter meldet Free Syria Media Hub unter #sana, dass ein Fernsehteam des staatlichen Senders bei Damaskus dabei erwischt wurde, wie sie ein Teil eines alten Mig-Kampfjet wie ein israelisches Militärflugzeug bemalten. Kurz darauf meldete der Hisbollah-Sender Al Manar, der syrischen Luftabwehr sei es gelungen, ein israelisches Kampfflugzeug abzuschießen.

Die New York Times berichtet, dass sich Asad am Mittwoch anlässlich des 1. Mai, medienwirksam in einem Damaszener Elektrizitätswerk mit dessen Arbeitern gezeigt hat.

The Angry Arab diskutiert in einem Interview mit Thomas Pierret, Autor des Buches „Religion and State in Syria ” über die Ausdauer des Regimes und die Rolle des Islam nach dem Sturz des syrischen Regimes. Bezogen auf die Ausdauer des Regimes, konstatiert Pierret, gäbe es nur eine unabhängige Variable und das ist der verwandtschaftlich-konfessionsgebundene Charakter des Militärs, welches es dem Regime erlaubt, nicht bloß “repressiv” zu sein, sondern einen ausgewachsenen Krieg gegen seine eigene Bevölkerung zu führen. „Das Durchhaltevermögen des Regimes ist in keiner Weise ein Beweis für dessen Legitimität. Im Gegenteil, die Legitimität des Regimes ist umgekehrt proportional zu dem Level an Gewalt, welches es benutzt, um zu überleben. Mit anderen Worten: das ist ein in hohem Maße illegitimes Regime in den Augen vieler Syrer“, so Pierret. Er fährt fort in seiner Analyse: Es gebe kein Militär der Welt, welches so handelt wie das syrische in den letzten zwei Jahren, repräsentativ für die Bevölkerung: die Zerstörung der wichtigsten Städte des Landes, weite Teile der Hauptstadt einbezogen. Diese Vorgehensweise sei nur durch die konfessionelle oder ethnische Spaltung, die durch das Innere des Militärs geht, und es von der Bevölkerung trennt, zu erklären.

Bezüglich der Frage, welcher Islam in einem post-Asad Syrien vorherrschen wird, antwortete Pierret, dass dies sehr umstritten sein wird. Die scheinende Vorherrschaft von salafistischen Gruppen könne durchaus zurückgehen zu Gunsten des Islam der Muslimbrüder oder aber der traditionellen Ulama. Reform-Islam werde es eher schwer haben, sich durchzusetzen, da er entweder vor der Revolution vom Regime kooptiert wurde, oder unterdrückt.


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