Kommentar: Syriens Falsche Freunde

Noch 2010 war Assad für die Bundesregierung ein Reformer. Verbal unterstützt sie inzwischen den demokratischen Aufbruch – doch für die AktivistInnen tut sie nichts. Auf seiner Nahost-Reise im Mai 2010 verteilte der deutsche Außenminister Guido Westerwelle viel Lob an die autokratischen Staatschefs der arabischen Welt. Den seit fast 30 Jahren in Ägypten regierenden Hosni Mubarak […]

Noch 2010 war Assad für die Bundesregierung ein Reformer. Verbal unterstützt sie inzwischen den demokratischen Aufbruch – doch für die AktivistInnen tut sie nichts.

Auf seiner Nahost-Reise im Mai 2010 verteilte der deutsche Außenminister Guido Westerwelle viel Lob an die autokratischen Staatschefs der arabischen Welt. Den seit fast 30 Jahren in Ägypten regierenden Hosni Mubarak bezeichnete er als “einen Mann von großer Weisheit”, Bashar al-Assad, der die Macht von seinem Vater Hafez geerbt hatte, nannte er einen Reformer, mit dem man den Dialog suchen müsse.

Auch der BND wusste zu nutzen, dass in Syrien “andere Grundrechtsstandards” herrschten, wie dessen damaliger Chef Ernst Uhrlau sagte. Geheimdienstler hatten in Assads Folterkellern Terrorverdächtige vernommen, was immerhin vor einem Untersuchungsausschuss des Bundestags landete. Für das Rücknahmeabkommen von 2008 zur Erleichterung von Abschiebungen interessiert sich dagegen kaum jemand.

Von ihm machte die Bundesregierung auch 2011 noch Gebrauch: 166 abgelehnte AsylbewerberInnen wurden letztes Jahr nach Syrien abgeschoben, obwohl im gleichen Zeitraum 7.000 Tote zu verzeichnen waren, weil im ganzen Land Kundgebungen beschossen wurden. Als Grund für einen Abschiebestopp sollte das reichen, doch den gibt es bisher nur in Schleswig-Holstein und Brandenburg. Weitere Bundesländer haben Abschiebungen lediglich ausgesetzt – “bis zur Klärung der Verhältnisse”. Das ist jedoch brisant, da die syrische Botschaft AktivistInnen die Verlängerung ihrer Pässe verweigert, was den Verlust des Aufenthaltsrechts oder der Studiengenehmigung nach sich ziehen kann.

Statt auf die Unterstützung der Demokratiebewegung – und sei es nur mit Einreise- und Aufenthaltsrechten für AktivistInnen – setzt Kanzlerin Angela Merkel auf Einsicht (“Wir fordern ihn [Assad] auf, den Weg für eine friedliche Transformation freizumachen.”) und Westerwelle auf Sanktionen. Doch solange Siemens Verträge über 305 Millionen Euro zum Ausbau eines Gaskraftwerks bei Damaskus abschließen kann, bleibt das Embargo allenfalls halbherzig.

Das alles gehört genauso zur Inkonsistenz der deutschen Außenpolitik, wie die Lieferung von 200 Kampfpanzern nach Saudi-Arabien. Dessen König Abdullah verbietet in seinem Land nicht nur Frauen das Autofahren und Wählen verbietet, sondern schickt auch Soldaten ins Nachbarland Bahrain, wenn dort für demokratische Reformen demonstriert wird.

Auch zum Assad-Regime hält Deutschland die diplomatischen Beziehungen weiter aufrecht: Zwar wurden Anfang Februar vier Mitarbeiter der Syrischen Botschaft wegen Bespitzelung oppositioneller AktivistInnen ausgewiesen. Doch die Botschaft ist weiter geöffnet.

Eine konsequent pro-demokratische Haltung zum Syrischen Frühling würde bedeuten, die Genfer Flüchtlingskonvention umzusetzen und AktivistInnen, die an Leib und Leben bedroht sind, das ihnen zustehende Bleiberecht zu gewähren.

Diese Kommentar ist in der Adopt a Revolution-Zeitung erschienen. Hier gibt es die vollständige Zeitung online und zum Bestellen.