Die Frau in den Lokalen Koordinationskomitees… die unbekannte Variable

Von Razan Zeitouneh Als ich mich neulich mit einem Aktivisten der LCCs unterhielt, äußerte er mir mit Kummer, dass der „Ruf“ der Komitees in unserer Region in keinem sonderlich guten Zustand sei. So gibt es Leute, die in Umlauf setzen, dass „die Komitees von Weibern geführt sind“… Und das schwäche die Position der Aktivisten vor […]

Von Razan Zeitouneh

Als ich mich neulich mit einem Aktivisten der LCCs unterhielt, äußerte er mir mit Kummer, dass der „Ruf“ der Komitees in unserer Region in keinem sonderlich guten Zustand sei. So gibt es Leute, die in Umlauf setzen, dass „die Komitees von Weibern geführt sind“… Und das schwäche die Position der Aktivisten vor den Leuten der Gegend. Dabei ist es doch ein Glück, dass eine handvoll Frauen eine essentielle Rolle in den lokalen Komitees spielen, dass die Komitees weiterhin aktiv sind, dass sich ihre Arbeit entwickelt hat im Laufe der zweijährigen Revolution. Unter ihnen die Kollegin Jasmin al-Barazi, Koordinatorin des Medienbüros, die nicht weniger als 24 Stunden ihres Tages mit Arbeit für die Revolution mit den Aktivisten der Komitees, in ihren verschiedenen Büros, verbringt. Ein Hoch auf das, was sie bisher geleistet hat und noch leisten wird.

Das gleiche gilt für Leila Safdi, die trotz der bescheidenen Möglichkeiten, die ihr zur Verfügung standen, die Verantwortung für die Gestaltung und Redaktion der Zeitung der Komitees auf sich genommen hat. Sie setzt ihre Aktivität in den Komitees und dem Exekutivbüro fort an dem Ort auf unserem geliebten Golan, an dem sie sich zurzeit niedergelassen hat. Ebenso ein Hoch auf ihre geleistete Arbeit und auf das, was sie noch bieten wird.
Ich werde hier nicht alle Namen von starken Frauen durchgehen, aber ich will auf den obenerwähnten Kommentar des Aktivisten, der das Vorhandensein von Frauen an Orten der Entscheidungsfindung und Verantwortung in dieser revolutionären Organisation als „Schwachpunkt“ bezeichnet hat, anstatt als Stärke, näher eingehen.

Er sprach über die Region, in der er selbst aktiv ist. Dort gibt es ganz sicher Aktivistinnen im Medienbereich und im Bereich der humanitären Hilfe… wo stellt sich hier also das Problem? Es geht noch darüber hinaus. Auch wenn die Rolle der Frauen auf dieser Ebene pionierhaft war, so gab es im Gegenzug, lediglich eine einzige weibliche Repräsentantin innerhalb der Duzenden LCCs. Klar, dass in Anbetracht dessen, die Koordinierungsgruppe „Zusammenschluss der freien Frauen aus Daraya“ sich um dieses Thema bemüht hat, hierzu haben wir Fragebögen verteilt an die Komitees, um zu erfahren, wie viele Frauen sich in ihren Reihen und Aktivitäten befinden.

Die Komitees, die mehr als vier Aktivistinnen in ihren Reihen haben, waren nur in Shahba (Suwaida) Jdeidat Artus (Rif Damaskus), die Hananu-Bewegung, Misyaf (Salamiya), das vereinigte al-Hasaka und Inkhil zu finden. In den Gruppen in Ariha (Idlib), Atarib (Aleppo), Sanamayn (Daraa) gibt es jeweils zwei bis vier Aktivistinnen. Ein bis zwei Aktivistinnen gibt es in Kafruma und Zabadani (Rif Damaskus). In allen anderen Gruppen: keine einzige Frau!

Selbst in den Komitees, in dessen Reihen sich Frauen befinden, war doch auffällig, wie sich die männlichen Vertreter zur Rolle dieser Aktivistinnen äußerten. Die Arbeit der Frauen in Ariha beschränkt sich auf den Druck von Publikationen, das Schreiben der Protestplakate und die Vorbereitung von schriftlichen Medienberichten. „Der Geschmack von Frauen weicht bei solchen Dingen halt vom Geschmack der Männer ab“, sagt einer der Vertreter des Komitees. In Jdeidat Artouz kümmern sich die Frauen um die Aufgaben, die „weibliches Feingefühl“ brauchen! Dazu gehören Aufgaben wie das Anfertigen von Zeichnungen, das Herstellen von Flaggen und alles, was mit Kindern zu tun hat, so ein Sprecher des vereinigten al-Hasaka. Ebenso sind Frauen im Bereich der humanitären Angelegenheiten, dem Verteilen von Flugblättern und der Vorbereitung von Demonstrationen sowie der Überwachung der Einhaltung von Regeln aktiv. In Ankhal nähen Frauen Revolutionsflaggen, schreiben Plakate, leisten Erste Hilfe für Verletzte, verteilen Essenspaketen und bereiten Essen für die Freie Armee zu. Frauen führen aber auch Arbeiten durch, die sie Gefahr aussetzen. Wer hat die weiblichen Gefangenen vergessen, die nun schon mehr als ein Jahr inhaftiert sind? Einige Frauen bieten „Gesuchten“ Unterschlumpf und helfen bei deren Flucht, selbst im Schmuggel von Waffen derer, die sich vom Militär abgespalten haben, sind Frauen aktiv. In Karuma, so ein Aktivist, haben sich Frauen mit hoher Effizienz beteiligt als die Demonstrationen auf ihrem Zenit waren. So haben die Frauen sich als Barrieren zwischen das Militär und die Demonstranten gestellt, um so deren Festnahme zu verhindern. Jetzt aber spielen sie die Rolle des „Unbekannten Soldaten“…. Denn jetzt kocht sie für die Revolutionäre! Jetzt ist sie für die Hausarbeiten verantwortlich! Zusätzlich zu ihrem Aktivismus im Bereich der Notfallhilfe.

Wie dem auch sei, ich werde bekennen, dass ich während der zweijährigen Arbeit in den LCCs keine einzige der Aktivistinnen der Komitees kennengelernt habe. In anderen Worten: die „männlichen“ Aktivisten haben diese weiblichen Aktivistinnen nicht vorgestellt bzw. ihnen nicht die Chance zur Mitarbeit gegeben. Die LCCs für ihren Teil haben kein einziges Mal nach ihnen gefragt. Ein Repräsentant des Komitees Hamuriya im Gouvernerat Rif Damaskus hat deutlich gesagt, dass es keine Frauenaktivitäten bei ihnen gibt, dennoch habe die Frau eine wichtige Rolle inne bei der revolutionären Bewegung in der Stadt. Ihre Aktivitäten seien aber begrenzt auf Bereiche wie medizinische Versorgung und Lehre. Die Frau sei besser für diese „Bereiche“ gemacht. Er fährt fort mit den Worten: „die fehlende Beteiligung der Frau im Komitee ist das der Einstellung der Leute aus dem östlichen Ghuta (Gebiet um Damaskus) zuzuschreiben und deren Vorbehalten“. Gemäß einem Vertreter des Komitees aus Al-Sanmim, so ist es der gesellschaftlichen Kultur, welche die Frauen umgibt, zuzuschreiben, dass die Frauen sich an einige Aktivitäten halten und sich dafür einsetzen. Es ist also zum Teil die Entscheidung der Frau selbst. Im Dorf „Tasil“ (Daraa) nimmt die Frau an der revolutionären Arbeit Teil, etwa Demonstrationen und Kochen für die Revolutionäre. Das Fehlen weiblicher Repräsentation in den Rängen des „Komitees Marda“ sei dementsprechend der bewahrende Charakter des Dorfes, bedacht auf die Frau aus sicherheitstechnischen Gründen.

Der Gefährlichkeitsgrad variiert mit der Arbeit, die sie macht: das reicht vom Kochen für die Revolutionäre, Waffenschmuggel oder der Gewährung von Unterschlupf für Gesuchte. Gleichwohl ist sie bei all diesen Arbeiten als ausführende Kraft dabei, dennoch zieht sie sich zurück und selten hört man ihre Stimme in den LCCs, nicht um eine Aktion vorzuschlagen und nicht in den inhaltlichen Auseinandersetzungen, in die wir regelmäßig als Aktivisten der Büros und Komitees hineinwaten. Das ist bedauerlich. Aber wenigstens können Frauen nicht im hypothetischen Streit besiegt werden.

Wie dem auch sei, der Stolz der LCCs ist die Existenz der Frauen in den Zentren der Entscheidungsfindung. Aber das macht uns nicht zu einem nachahmenswerten Beispiel, und verhindert nicht, obwohl hunderte von weiblichen Aktivistinnen in ihren Gebieten ständig alles riskieren, ausgeschlossen zu werden aus allen noch so kleinen organisatorischen Entscheidungen, sowohl in den Komitees als auch in den lokalen Räten.
Es ist merkwürdig, dass eine Person, die einer Frau vertraut, als Schutzbarriere zwischen ihm und den Sicherheitskräften in einer Demonstration zu dienen, die Verfolgten Unterschlupf bietet und Verletzte verarztet, dass diese gleiche Person nicht auf sie vertraut, wenn es darum geht, die Zukunft seiner Kinder mitzugestalten.

Razan Zeitouneh ist Rechtsanwältin und eine der Gründerinnen der lokalen Koordinierungskomitees. Im November vergangenen Jahres erhielt sie den Ibn Ruschd Preis für Freies Denken.