Razan Zaitouneh und die Douma4
Freiheit für die “Douma 4”, die nun seit genau einem Jahr entführt sind. Quelle: Kollektiv “The Syrian People Know Their Way”.

Appell der Angehörigen

Am 10. Dezember 2013 wurden in Douma bei Damaskus die vier AktivistInnen Razan Zeitouneh, Samira Al-Khalil, Wael Hamadeh und Nazem Hamadi des Syrischen Violations Documentation Centers (VDC) von unbekannten, maskierten Männern verschleppt. Seitdem fehlt von den angesehenen und international ausgezeichneten MenschenrechtsaktivistInnen jede Spur. Bislang streitet die Islamische Armee, Jaish al-Islam, unter der Führung von Zahran […]

Razan Zaitouneh und die Douma4
Freiheit für die “Douma 4”, die nun seit genau einem Jahr entführt sind. Quelle: Kollektiv “The Syrian People Know Their Way”.

Am 10. Dezember 2013 wurden in Douma bei Damaskus die vier AktivistInnen Razan Zeitouneh, Samira Al-Khalil, Wael Hamadeh und Nazem Hamadi des Syrischen Violations Documentation Centers (VDC) von unbekannten, maskierten Männern verschleppt. Seitdem fehlt von den angesehenen und international ausgezeichneten MenschenrechtsaktivistInnen jede Spur. Bislang streitet die Islamische Armee, Jaish al-Islam, unter der Führung von Zahran Alloush jede Verantwortung ab – obgleich Douma unter der Kontrolle der Bewaffneten steht.

Schon in der Vergangenheit hatten Unbekannte die mutigen AktivistInnen bedroht, die Menschenrechtsverbrechen aller Seiten dokumentierten – und deswegen auch von Oppositionellen unter Druck gesetzt wurden. Wiederholt gab es Gerüchte, die Verschleppten könnten bald frei kommen, jedoch bislang ohne Erfolg. Nun wenden sich die Angehörigen der vier Entführten, darunter der Intellektuelle Yassin Haj al-Saleh, Ehemann von Samira al-Kahlil, mit einem Aufruf an die Öffentlichkeit und an die Entführer. Wir dokumentieren den Aufruf und schließen uns der Forderung an!

Die Menschenrechtsanwältin Razan Zaitouneh, Sprecherin des AktivistInnen-Netzwerks der LCC und Trägerin des EU-Menschenrechtspreises.
Die Menschenrechtsanwältin Razan Zaitouneh, Sprecherin des AktivistInnen-Netzwerks der LCC und Trägerin des EU-Menschenrechtspreises.

Fünfeinhalb Monate sind seit der Entführung von Razan Zeitouneh, Samira Al-Khalil, Wael Hamadeh und Nazem Hamadi ins Land gegangen. Dieses abscheuliche Verbrechen, das sich am Abend des 09. Dezember 2013 in Duma in der östlichen Ghouta ereignete, ist umso beschämender, als die vier unbewaffneten Revolutionäre aus einer „befreiten Zone“ entführt wurden, von einer unbekannten Gruppe, die alles daran gesetzt hat, unerkannt zu bleiben, ganz nach der Art gewöhnlicher Verbrecher und Straßenräuber.
Noch beschämender aber ist, dass keine – nicht einmal im Ansatz – ernsthafte Untersuchung stattgefunden hat, die den Bewohnern des Ortes oder den Syrern insgesamt die Wahrheit aufgedeckt und das Schicksal der vier Entführten aufgeklärt hätte.

Es ist bekannt, dass es sich bei Razan Zeitouneh um eine Rechtsanwältin, Autorin und Aktivistin handelt, die seit Beginn dieses Jahrhunderts unermüdlich die Rechte, Freiheiten und die Würde ihrer Landsleute verteidigt hat, und zwar ungeachtet ihrer politischen Einstellungen. Razan vertrat eine neue Form des intellektuellen Menschenrechtsaktivisten, eine neu Form der syrischen Frau – durch die Art, wie sie in ihrer Arbeit aufging, durch ihre große Menschlichkeit, ihren Mut, ihre Disziplin, ihre Schaffenskraft, ihre Kreativität und ihre Liebe zum Leben und zu allen Kreaturen. Sie ist ein Beispiel, das den syrischen Frauen, den Intellektuellen, den Aktivisten zur Ehre gereicht. Ihre Mutter, ihr Vater, ihre Schwestern haben seit ihrer Entführung keinerlei Nachricht von ihr. Es ist auch nicht bekannt, ob ihr Ehemann, Wael Hamadeh, der gemeinsam mit ihr entführt wurde, Kontakt zu ihr hat.

Samira Al-Khalil saß wegen ihres Kampfes gegen Hafez Al-Assad vier Jahre in politischer Haft. Sie hat seit Beginn des Jahrhunderts an den meisten Aktivitäten der demokratischen Strömung in Syrien teilgenommen: in den „Komitees zur Wiederbelebung der Zivilgesellschaft“ ebenso wie in der „Damaszener Erklärung“. Sie nahm an den Vorbereitungstreffen für die „Damaskus-Beirut-Erklärung“ teil. Sie ist der Inbegriff der Bescheidenheit, der Nächstenliebe, der Hilfsbereitschaft und des Bestrebens, alle Kraft in den Dienst der Gemeinschaft zu stellen. Ihr Ehemann, Yassin Al-Haj Saleh, weiß nichts über den Verbleib seiner Gefährtin, ebenso wenig wie ihre Geschwister und deren Familien. Ihre greisen Eltern hat man bisher mit der Nachricht ihrer Entführung verschont.

Mit derselben Selbstlosigkeit und Beharrlichkeit hat Wael Hamadeh gearbeitet – in den letzten zehn Jahren im Rahmen seines Engagements in einer oppositionellen Partei, seit Beginn der Revolution in den „Lokalen Koordinierungskomitees“ und der von ihnen organisierten humanitären Hilfe. Zweimal wurde Wael verhaftet und in den Kellern der Geheimdienste gefoltert. Seine Mutter und seine Geschwister wissen nichts über seinen jetzigen Verbleib, ebenso wenig wie er weiß, dass sein Vater vor Wochen verstorben ist.

Ohne Nazem Hamadi hätten viele Familien in vielen Teilen des Landes nicht das Notwendigste zum Überleben gehabt. Zusammen mit Wael hat er die Hilfslieferungen über das Netz der Lokalen Koordinierungskomitees organisiert, das nahezu das ganze Land durchzog. Auch die Familie dieses Dichters und Rechtsanwalts weiß nichts über seinen Verbleib.

Diese beiden Frauen und diese beiden Männer sind keine Ungeheuer. Sie sind nicht gefährlich. Sie sind auch nicht aus dem Weltall gekommen. Sie haben Familien und Menschen, die sie lieben; Menschen, denen es das Herz zerschneidet, dass ihre Lieben auf soverbrecherische Weise entführt wurden; die kaum aushalten können, dass die Tage vergehen, während immer noch nichts über ihren Verbleib bekannt ist.

Die Entführung von Razan, Samira, Wael und Nazem ist Verrat an der syrischen Revolution und eine Beleidigung des syrischen Volkes, ganz besonders eine Beleidigung der Bewohner von Duma.

Dass Vermummte vier wehrlose Aktivisten verschleppen, zwei Frauen und Männer, und sie vor der Welt versteckt halten, wird im Gedächtnis der Menschen haften bleiben. Die Geschichtsbücher werden es nicht unterschlagen.

Wir, die Angehörigen der Entführten, rufen die Bevölkerung von Duma, seine Revolutionäre und seine Aktivisten dazu auf, mitzuhelfen, damit das Schicksal der vier aufgeklärt werden kann und sie in allen Ehren freigelassen werden.

Wir rufen alle Syrer, die nutzbringende Informationen über die Entführten oder ihre Entführer haben, dazu auf, solche Informationen weiterzugeben und sich für das Wohlergehen der vier einzusetzen.
Wir rufen alle Freien und Gerechten der Welt auf, sich mit Razan, Samira, Wael und Nazem, mit allen Häftlingen und Entführungsopfern in Syrien und mit dem syrischen Volk in seinem bitteren Kampf um die Freiheit zu solidarisieren.

Adopt a Revolution arbeitet seit Ende 2011 mit dem Violations Documentations Center und dem Netzwerk der Lokalen Koordinationskomitees (LCC) zusammen und unterstützt die Arbeit unbewaffneter AktivistInnen in Syiren. Helfen Sie mit, tragen Sie bei zur Unterstützung des jungen syrischen Zivilgesellschaft!

Unterstützen Sie die syrische Zivilgesellschaft!

Herzlichen Dank für Ihren Beitrag!