Angriff des IS auf Kobani: Drohende Massaker an ZivilistInnen – Statement des UKSS

Die Stadt Kobani wird seit mehr als einem Jahr vollständig von ISIS belagert und immer wieder angegriffen. Das gleiche gilt für die umliegenden Dörfer. Die jihadistische Gruppierung konnte nun in den letzten zwei Tagen durch einen plötzlichen Vorstoß 16 Dörfer nahe der Stadt Kobani einnehmen. Teile der Bevölkerung flüchteten nach Kobani; andere an die Grenze […]

ZivilistInnen aus der Region Kobani werden an der türkischen Grenze zurückgewiesen. Die Flucht ins sichere Nachbarland bleibt ihnen derzeit versperrt. Quelle: Reuters.
ZivilistInnen aus der Region Kobani werden an der türkischen Grenze zurückgewiesen. Die Flucht ins sichere Nachbarland bleibt ihnen derzeit versperrt. Quelle: Reuters.

Die Stadt Kobani wird seit mehr als einem Jahr vollständig von ISIS belagert und immer wieder angegriffen. Das gleiche gilt für die umliegenden Dörfer. Die jihadistische Gruppierung konnte nun in den letzten zwei Tagen durch einen plötzlichen Vorstoß 16 Dörfer nahe der Stadt Kobani einnehmen. Teile der Bevölkerung flüchteten nach Kobani; andere an die Grenze zur Türkei, wo die türkischen Grenztruppen momentan tausende ZivilistInnen an einer Flucht in die sichere Türkei hindern. Die Stadt Kobani sowie die naheliegende Grenze werden mit Mörsergranaten und weiteren Geschossen vom Süden, Osten und Westen beschossen. Die KämpferInnen der YPG in Kobani sind nicht ausreichend bewaffnet, um sich gegen die schweren Geschütze von ISIS zu behaupten. Die Bevölkerung hat deswegen große Angst, dass auch die Stadt Kobani von ISIS eingenommen werden könnte. Viele Menschen bereiten sich derzeit auf eine Flucht vor, deren Ausgang angesichts der geschlossenen Grenze zur Türkei ungewiss ist. Unsere PartnerInnen der Union Kurdischer Studierender in Syrien (UKSS) fordern Solidarität und berichteten folgendes:

„Hunderttausende Menschen leben derzeit in Kobani, darunter viele Flüchtlinge aus anderen Städten und Regionen Syriens. Im Verlauf der Revolution hat die Stadt Kobani, wie viele andere Städte auch, vieles opfern und erleiden müssen – allerdings nicht durch den Terror des Regimes von Bashar al-Assad und seine Kampfflugzeuge, sondern durch den Terror einer radikalen Gruppierung, die sich hinter der Religion des Islam versteckt, obwohl sie selbst den Unglauben an sich verkörpert: ISIS.

ISIS – oder wie wir sie auf Arabisch abkürzen: Daesh – greift die kurdische Stadt Kobani seit mehr als einem Jahr an. ISIS belagerte Kobani vor mehr als einem Jahr vollständig und konnte so die Kontrolle über drei Ausfahrtswege aus der Stadt im Osten, Westen und Süden erlangen. Der einzige Weg aus der Stadt heraus, der der Bevölkerung nach wie vor bleibt, ist der im Norden gelegene Grenzübergang zur Türkei, der von den türkischen Autoritäten kontrolliert wird. Diese erlauben jedoch niemandem aus Kobani die Überquerung des Grenzübergangs – sei es nun, um in die Türkei zu flüchten, oder um schlicht und einfach Waren und Lebensmittel für die Bevölkerung der vollständig belagerten Stadt zu bringen.

Bisher konzentrierten sich die militärischen Operationen und Einnahmeversuche durch ISIS ausschließlich auf die Dörfer nahe der Stadt Kobani. Am 14.09.2014 begannen die Kämpfer von ISIS allerdings den ernsthaften Versuch, auch die Stadt Kobani einzunehmen – und zwar von allen drei Himmelsrichtungen aus. Oft scheint es der Bevölkerung Kobanis, als würden die türkischen Autoritäten ISIS bei deren Manövern insgeheim unterstützen. Denn die Grenzbeamten schließen und öffnen den Grenzübergang meist so, dass es den militärischen Aktionen von ISIS zu Gute kommt. Zudem bewachen sie auch die inoffiziellen Übergänge und Schmuggelrouten, um eine Flucht der ZivilistInnen aus Kobani in die Türkei zu verhindern. Seit zwei Tagen kommt unter der Bevölkerung von Kobani zunehmend Panik auf – besonders, nachdem viele der BewohnerInnen aus umliegenden Dörfern nach Kobani flüchteten, da sie willkürlich mit schweren Artilleriegeschützen von ISIS beschossen wurden. Diese Geschütze haben eine Reichweite von circa 50km.

Bilder der UKSS Deutschland zeigen die Flucht der ZivilistInnen aus Kobani gen Türkei. Quelle: UKSSD.
Bilder der UKSS Deutschland zeigen die Flucht der ZivilistInnen aus Kobani gen Türkei. Quelle: UKSSD.

Wir als Mitglieder der Union Kurdischer Studierender in Syrien (UKSS) lehnen die Flucht aus unserer Stadt Kobani ab. Kobani ist unser Land, auf dem alle unsere Werte wie Gemeinschaftssinn und Toleranz gewachsen sind. Diese Werte sind es, die wir verbreitet haben. Wir als AktivistInnen versuchen momentan hauptsächlich, beruhigend auf die Menschen in Kobani einzuwirken und ihnen eine gewisse Stabilität zu vermitteln, damit die um sich schlagende Anspannung nicht weiter zunimmt. Die große Furcht der Menschen ist, dass sich die Ereignisse aus Sinjar hier in Kobani wiederholen und furchtbare Massaker an der kurdischen Bevölkerung durch ISIS begangen werden. Besonders der kurdischen Bevölkerung ist klar, dass ISIS die KurdInnen des Nahen Ostens maßlos hasst und sie momentan zu ihrem größten Feind erklärt hat. Es machen aber auch viele Gerüchte die Runde, die stark zur Anspannung innerhalb der Bevölkerung beitragen. So hieß es zum Beispiel, dass ISIS von der Türkei mit mehr als acht Lastwagen voller Waffen versorgt wurde, um die die Vernichtung der KurdInnen in Kobani zu unterstützen.

Wir fordern alle internationalen gesellschaftlichen Verbände und Menschenrechtsorganisationen dazu auf, in diesem Konflikt solidarisch an der Seite der Bevölkerung Kobanis zu stehen; denn alles weist darauf hin, dass ISIS ein weiteres Massaker an der kurdischen Bevölkerung Syriens plant. Wir fordern weiterhin, dass ZivilistInnen die Flucht in die sichere Türkei gewährt wird, um dem brutalen Terror durch ISIS zu entkommen. Die Welt darf bei dem drohenden Massaker in Kobani nicht wegschauen!“

Die AktivistInnen der UKSS in Kobani

18.09.2014

Bereits im Juli 2014 machten AktivistInnen der UKSS mittels Plakaten auf die humanitäre Not in Kobani aufmerksam, die durch die Belagerung von IS entstanden ist.
Bereits im Juli 2014 machten AktivistInnen der UKSS mittels Plakaten auf die humanitäre Not in Kobani aufmerksam, die durch die Belagerung von IS entstanden ist.

Das Team von Adopt a Revolution arbeitet seit geraumer Zeit verlässlich mit den AktivistInnen der UKSS wie auch vielen weiteren Gruppen in Syrien zusammen. Wenn Sie die Arbeit dieser PartnerInnen unterstützen möchten, können Sie hier spenden.

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Weitere Berichte der UKSS zur Situation vor Ort in Kobani können Sie auch unter http://www.ukss-sy.org/en/ abrufen.