Giftgas in Syrien: »Alle humanistischen Prinzipien wurden verraten«

Am 21. August 2013 wurden die östlichen Damaszener Vororte Ziel eines katastrophalen Giftgasangriffs, bei dem mehr als 1.300 Menschen getötet wurden. Angesichts der grauenvollen Bilder aus Khan Sheikhoun in Idlib, die dieser Tage die Weltöffentlichkeit beschäftigen, erinnert sich der Bildungsaktivist Abdulsattar an diesen furchtbaren Tag vor fast vier Jahren.

Bis heute müssen die Überlebenden aus Ost-Ghouta auf Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft warten. Statt Hilfe zu bekommen, leben sie unter heftigem Bombardement und anhaltender Belagerung. Abdulsattar harrt weiterhin an diesem Ort aus – er hat dort die von Adopt a Revolution unterstützten alternativen Schulen in Erbin mit aufgebaut.

“Als ich die Bilder aus Khan Sheikhoun sah, hat mich das sofort vier Jahre in der Zeit zurück katapultiert. Ich erinnere mich an die Gefühle, die mich damals überkamen, als ich gegen drei Uhr nachts erfuhr, dass Erbin mit chemischen Waffen beschossen worden war. Aktivisten aus dem Krankenhaus klopften damals an meine Tür, sie brauchten jeden einzelnen, um den Verwundeten zu helfen. Angesichts der Nachrichten aus Khan Sheikhoun hatte ich wieder die Angst vor Augen und das plötzliche Chaos, als wir 4.000 Verletzten Erste Hilfe leisten mussten.

Wie das Krankenhaus in Khan Sheikhoun, wurde Erbin direkt nach dem Giftgas-Angriff mit Artillerie, Granaten und Bomben beschossen – das Regime wollte die Spuren seines Verbrechens verwischen. Meine Gefühle von damals waren eine Mischung aus Panik, Schwäche und der Furcht, jeden Moment zusammenbrechen zu können. Als ich die Kinder und alten Menschen vor mir hatte, die alle keine Schuld trugen, aber innerhalb von Sekunden erstickten, kam das Gefühl dazu, dass alle humanistischen Prinzipien der Welt verraten wurden.

Bei jedem Bild und jedem Video, das ich aus Khan Sheikhoun gesehen habe, stellte ich mir vor selbst mittendrin zu sein – und detailgenau erinnerte ich mich daran, wie es damals in Erbin war. Und ich denke darüber nach, was ich tun kann, damit so etwas nicht wieder geschieht. Vielleicht nichts, vielleicht viel – ich weiß es nicht. Aber ein Leben ohne Hoffnung, ein Leben, in dem keiner dich mehr als menschliches Wesen anerkennt, ist schwer.

Ich denke, es ist an der Zeit, dass die internationale Gemeinschaft und insbesondere jene Staaten, die sich selbst als demokratisch und frei bezeichnen, dem Regime entgegentreten, notfalls mit Gewalt. Dann sollten diejenigen, die in solche Kriegsverbrechen involviert gewesen sind, vor internationalen Gerichten zur Rechenschaft gezogen werden. Das wäre der Beginn für ein neues, gerechtes System in Syrien.”