11 Infusionsbeutel – Alltag in Douma, Ost-Ghouta

„Was soll ich tun? Wo soll ich bloß hin? Wer kann mir helfen?“ Diese Fragen stellte mir eine Frau, Umm Samer, die in der Finanzaufsicht unserer Organisation tätig ist, nachdem sie mir folgenden Zettel in die Hand gedrückt hatte: „Es werden 11 Infusionsbeutel benötigt“. „Diese haben wir leider nicht“, musste ich ihr entgegnen. Sodann erzählte […]

  • „Was soll ich tun? Wo soll ich bloß hin? Wer kann mir helfen?“

Diese Fragen stellte mir eine Frau, Umm Samer, die in der Finanzaufsicht unserer Organisation tätig ist, nachdem sie mir folgenden Zettel in die Hand gedrückt hatte: „Es werden 11 Infusionsbeutel benötigt“.

  • „Diese haben wir leider nicht“, musste ich ihr entgegnen.

Sodann erzählte sie mir, bitterlich weinend und mit gebrochenem Herzen, von den Sorgen, die sie mit Trauer und Verzweiflung erfüllten. Wir waren von ihrem plötzlichen Tränenausbruch tief bewegt, sodass viele von uns die Tränen nicht unterdrücken konnten und in ihr Weinen miteinstimmten. Ich versuchte, die Situation der Frau zu ergründen:

  • „Wozu brauchst du diese große Menge Infusionsbeutel?“
  • „Mein Mann liegt in einem diabetischen Koma, seitdem sein Bein amputiert wurde“, antwortete sie, sobald sie sich ein wenig beruhigt hatte. „Mittlerweile befindet er sich in einem lebensgefährlichen Zustand. Man kann sein Leben allein durch die Beschaffung dieser 11 Infusionsbeutel retten!“
Douma_Geschichte_4_Infusionsbeutel
Die von der Apothekerin Basma handschriftlich festgehaltene Geschichte.

Wie sehr ich mir in diesem Moment wünschte, dass meine Stimme weltweit zu hören sei, dass alle Menschen, die ein sicheres Leben weit weg vom Krieg führen, mich hören könnten.

Ein Infusionsbeutel ist überall auf der Welt leicht zu beschaffen – außer in Ghouta: Einen einzigen Infusionsbeutel erhält man hier nur mit äußerster Mühe, geschweige denn 11 Infusionsbeutel! Überall in den Krankenhäusern der Welt würde sich niemand um einen Infusionsbeutel kümmern müssen… Sind wir doch bereit, alles zu geben, um das Leben eines Geliebten zu retten.

Umm Samer blieb kein Trost, denn wir konnten ihr in keinerlei Weise helfen: Wir haben einfach keine 11 Infusionsbeutel zur Verfügung. Weinend machte sie sich auf den Weg nach Hause. Uns blieb nichts anderes, als für sie zu beten und inständig zu hoffen, dass ihre Not gelindert werden möge.

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Diese Geschichte aus Douma, Ost-Ghouta, spiegelt das Alltagsleben unter Belagerung wider. Verfasst wurde die Geschichte von Basmah, einer Apothekerin mit Doktorgrad in Pharmazie. Douma, eine Vorstadt von Damaskus, ist seit nunmehr Jahren abgeriegelt durch die Truppen des syrischen Regimes. Die Hungerblockade verhindert nicht nur die reguläre Einfuhr von Nahrungsmitteln, sondern auch den Zugang zu Medikamenten und lebenswichtiger medizinischer Behandlung. Insofern schneidet das syrische Regime die Zivilbevölkerung vorsätzlich von essentiellen Gütern und Dienstleistungen ab – um Städte und Viertel wie Douma für die Auflehnung gegen die Diktatur zu bestrafen. Zusätzlich leiden die BewohnerInnen unter den Folgen des immer noch stattfindenden Bombardements und der Preistreiberei geldgieriger Händler, die geschmuggelte Ware zu exorbitanten Preisen anbieten, die kaum noch jemand bezahlen kann. Was es bedeutet, in der Ghouta unter Belagerung zu leben, stellen Geschichten wie diese anschaulich und bedrückend dar.

Die Geschichten aus Douma veröffentlicht Adopt a Revolution in Kooperation mit einer Aktivistinnengruppe aus Douma, die humanitäre Hilfe und Bildungsprojekte anbieten – soweit es ihnen unter Belagerung möglich ist. Übersetzung aus dem Arabischen durch Adopt a Revolution.